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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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gespürt.
    Alain hatte die leichte Bewegung ihres Kopfes bemerkt. Für einen Moment kämpfte er mit dem brennenden Verlangen , sofort aufzuspringen und die Frau zu packen und zu schütteln, um sie endlich zur Vernunft zu bringen. Er wollte sie anschreien und zur Rede stellen. Wie konnte sie ein derart hilfloses Wesen alleine in der Wildnis lassen! Das Leben seiner Tochter hatte stundenlang am seidenen Faden gehangen. Seine Angst um Cat hatte ihn während der zurückliegenden Tage bis an den Rand des Wahnsinns getrieben. Inzwischen war sie zwar außer Lebensgefahr, dennoch würde er ihre verantwortungslose Mutter zur Rechenschaft ziehen.
    Nein, das wirst du nicht tun! Reiß dich am Riemen! Du wirst dich gentleman-like zurückhalten und den richtigen Zeitpunkt für eine Standpauke, ein Gespräch oder was immer abwarten.
    Wenn er etwas in den vergangenen Jahren gelern t hatte, dann waren das Geduld und Zurückhaltung. Er würde Beate nicht anbrüllen, schwor er sich, und tatsächlich verblüffte er sich selbst mit einem Übermaß an Beherrschung, welche ihn von einem Wutausbruch abhielt. Es war ihm längst klar, dass kein Stein auf dem anderen bleiben würde, wenn er seinen Gefühlen jetzt freien Lauf ließ. Aber er wollte auch noch nach der Unterredung mit Beate wissen, was er zu ihr gesagt hatte. Er musste einen kühlen Kopf bewahren und vermeiden, unbedachte Dinge von sich zu geben. Er wollte sich nicht irgendwann Vorwürfe machen müssen, weil sich seine Worte nicht mehr zurücknehmen ließen.
    Vor allem wollte er verhindern, dass dieses unschuldige, kleine Wesen in dem Krankenbett Zeuge seiner Unbeherrschth eit wurde. Sie hatte ihn einen guten Menschen genannt und er sollte sie nicht Lügen strafen. Sie vertraute ihm.
    Scheinbar gleichmü tig summte er weiter vor sich hin. Mit stoischer Ruhe nahm er den feuchten Lappen von der glühend heißen Kinderstirn, tauchte ihn in die Schüssel mit dem inzwischen lauwarmen Wasser und wrang ihn gründlich aus. Mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln bemerkte er das unkontrollierte Zittern seiner Hände. Dann wischte er über das totenbleiche Gesichtchen, wie er es in den letzten Tagen ungezählte Male wiederholt hatte. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie sich die Gestalt vom Türrahmen löste und sich langsam und lautlos auf das Krankenbett zu bewegte.
    Sie räusperte sich verhalten. Ihre Stimme wehte nicht stärker als ei n dünnes Wispern durch den Raum. „Alain.“
    Wie einen sanften Windhauch spürte d er aufs Äußerste sensibilisierte Mann seinen Namen und seine Nackenhaare stellten sich auf. Er faltete seinen langen Körper auseinander, bis er sich zu seiner vollen, beeindruckenden Größe erhoben hatte, und straffte die Schultern. Dabei erinnerte er Beate an einen Regenschirm, der aufgespannt wird. Und genauso wie ein Schirm schien auch er etwas Beschützendes an sich zu haben.
    Im Zeitlupentempo drehte er sich um.
    Und erstarrte mitten in der Bewegung.
    Was immer er hatte sagen wollen, blieb ihm bereits einen Wimpernschlag später in der Kehle stecken. Sein Herz fing wie wild an zu pochen und ein unheimliches Gefühl von Sorge und Kummer durchflutete ihn wie eine Welle. Ihm war, als würden ihn seine im Zorn geborenen Worte ersticken, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Er sah die Frau vor sich und vergaß all die Anschuldigungen, die er sich während der vergangenen Tage für sie zurechtgelegt hatte. Seine über sieben lange Jahre gewachsenen Vorwürfe, sämtliche Ängste und seine Verbitterung zerplatzten wie Seifenblasen und lösten sich in Nichts auf. Sein Hirn war plötzlich vollkommen leer.
    Denn das Einzige, was er noch wusste , war …
    Das war nicht Beate!
    Er wagte kaum zu atmen. Aus Angst, die Erscheinung könnte sich wie so oft in seinen Tagträumen als Trugbild erweisen, verharrte er wie zur Salzsäule erstarrt, während sich seine Gedanken überschlugen. Sie wirkte unheimlich müde, beinahe durchsichtig. Wo war Beate Schenke, die so gerne mit Farben bei ihrer Kleidung und ihrem Haarschopf experimentierte? Die Beate, die sich so gerne mit Aprikosenduftlotion einrieb? Wo war die Beate, die das Badezimmer in eine Sauna verwandelte, wenn sie duschte, und einen klebrigen Haarsprayfilm am Spiegel hinterließ?
    Er sah sie im Geist vor sich, wie sie sich stolz und aufrecht vor ihm in seinem Krankenzimmer in Paris aufgebaut hatte, ihre unbändige Freude, als er einigermaßen gesund die Klinik verlassen konnte und später, als er ihr

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