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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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endlich seine Liebe gestand.
    Was immer man ihr seitdem angetan hatte, es hatte die Frau zerstört, die er kannte. In ihren Augen lag kein Lachen mehr und die blühende Farbe ihrer Wangen war einer geisterhaften Blässe gewichen. Eine gesunde, schöne Frau hatte ihn verlassen und nun fand er an ihrer Stelle einen Mitleid erregenden Schatten. Unmöglich konnte diese Fremde die junge Frau aus Deutschland sein, die ihn vor Jahren Hals über Kopf im Stich gelassen hatte! Seine geliebte Bea, dieser kratzbürstige Besen, die unbezähmbare Wildkatze. Was war aus der angriffslustigen, ständig provozierenden Deutschen geworden, mit der er sich bis aufs Blut hatte streiten können? Wo war die vor Selbstbewusstsein und Lebensfreude strotzende Frau geblieben? Was mochte in der Zwischenzeit vorgefallen sein?
    Nicht einmal ihre Haare hätte ich mehr erkannt, ging es ihm voller Entsetzen durch den Kopf und etwas in ihm zerbrach in dieser Sekunde. Wie hatte er die ständig zerzauste Strubbelmähne geliebt, ihre kurzen, wirr in sämtliche Richtungen abstehenden Haare, die das perfekte Abbild ihres Temperamentes und ihrer verblüffenden Offenheit waren und sich in keinster Weise an irgendeiner gängigen Frisur orientierten. Jetzt dagegen hingen ihre Haare bis über die Schultern und ihnen fehlten der seidige Glanz und der feine Rotschimmer, den sie früher mit Haartönungen in allen möglichen Farbschattierungen so geschickt zu variieren wusste.
    Quälende Angst befiel ihn. Verzweifelt suchte er ihre Augen, diese in seiner Erinnerung lebendigen, smaragdgrünen Augen, die vor Zorn blitz ten und Funken sprühten, jedoch genauso kampflustig wie neckisch leuchten konnten und in denen er von ihrer Sehnsucht nach ihm gelesen hatte. Unwillkürlich schüttelte er sich und die Haare auf seinem Arm richteten sich auf. Es schien ihm wie der eisige Hauch des Todes, der ihn schlagartig gestreift hatte und ihm eine Ahnung drohenden Unheils brachte.
    Beates Augen waren verstummt und wirkten so leblos, als würden sie niemals weinen.
    Seine gewohnheitsmäßig zur Begrüßung ausgestreckte Hand sank schlaff nach unten, als er den erschreckten Ausdruck auf ihrem Gesicht bei dieser harmlosen Geste bemerkte. Sie hatte ihre Hände abwehrend in die Höhe gerissen und stolperte einen Schritt zurück.
    „Nicht . Bitte, nicht, Alain“, stammelte sie heiser und wandte den Kopf von ihm ab.
    Er glaubte einen Anflug von Panik in ihrer Stimme zu hören. Zärtlich streichelte sein Blick über ihr verhärmtes Gesicht. Tiefe Schatten lagen unter ihren Augen und ließen sie älter wirken, als sie tatsächlich war. Es waren nur sieben Jahre vergangen! Sie konnte kaum älter als dreißig sein. Seine Augen wanderten über das fadenscheinige Kleid, das am Saum eingerissen und über und über mit Staub bedeckt war. Es schlotterte um ihren mageren Körper. Ihre Haltung verriet wachsame Angespanntheit.
    War es die über Jahre angestaute Wut über ihr Verschwinden oder seine Angst um das verletzte Mädchen? Oder hatte Beates elendes Aussehen die Sorge in ihm geweckt? Nichtsdestotrotz war da noch immer völliges Unverständnis über ihren Leichtsinn, das Kind tagelang schutzlos tausenden Gefahren der Wildnis ausgesetzt zu haben. Sämtliche widerstreitenden Gefühle vermischten sich wie in einem heftig wirbelnden Strudel, bis Alain vor seiner eigenen Gewaltbereitschaft erschrak, weil er plötzlich befürchtete zu explodieren.
    W ie sollte er jetzt beginnen? Beate vermittelte keineswegs den Eindruck, als bereite es ihr Vergnügen, hier zu stehen und in sein anklagendes Gesicht blicken zu müssen. Durfte er ihr Vorhaltungen machen? Es war ihr Leben. Sie hatte ihn nie gebeten, sich einzumischen. Was also sollte ihm heute das Recht dazu geben? Die Tatsache, dass sie ihm nichts von seiner Tochter erzählt hatte? Ja, zumindest das wäre ein triftiger Grund.
    Er musterte sie mit nicht nachlassender Intensität und finsterer Miene. Seine irritierend blauen Augen wirkten, wenn man zu lange in sie hineinsah, wie Stacheln. Es war, als wollte er sein Gegenüber durchbohren. Das Schweigen zwischen ihnen wuchs, bis es beinahe lebendig war und greifbar wurde. Alain schaute zu Beate, die offenbar gerade all ihren Mut zusammenfasste und die Grabesstille zu durchbrechen versuchte. Sie hob den Kopf ein klein wenig an und deutete mit dem Kinn in Richtung Krankenbett.
    „Wie geht es ihr?“
    Alain beobachtete ihre Augen, die erschreckt an seinen feingliedrigen Händen hängen blieben, verfolgte

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