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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Sie spürte den Hauch seiner kühlen Hand an ihrer Wange – oder war es der Wunsch nach seiner Berührung? –, während er sie mit dem rechten Arm wie ein kleines Kind um die Taille gefasst hielt und sie damit vor dem Fallen bewahrte.
    „Verdammt, was haben sie dir angetan? Bea, ich wollte dich nicht erschrecken. Und ich wollte dir auch nie wehtun. Nur verstehe ich das alles nicht.“ Der Klang seiner Stimme war so verändert, die Besorgnis passte nicht zu ihm. Und noch immer stand er so nah bei ihr.
    „Nicht, Alain “, flüsterte sie matt und versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu befreien. „Ich kann … Es geht wieder.“
    Widerstrebend löste er den Arm von Beate. Sie loslassen? Gehen lassen? Nein, das würde er bestimmt nicht! Eher würde er sterben, als noch einmal ohne sie zu sein.
    „Können wir uns … dort drüben … nur einen Moment …“
    Wachsam hing sein Blick an seiner Frau, als müsste er sich vergewissern, dass sie tatsächlich allein auf beiden Beinen stehen konnte. Obwohl sie bedrohlich wankte, wehrte sie mit einer müden Handbewegung seinen hilfreich angebotenen Arm ab. Im Schatten eines riesenhaften Baumes ließen sie sich nieder. Beate zog die Beine dicht an ihren Körper und legte schützend die Arme darum. Sie schaute zu dem Fenster, hinter dem sie ihre Tochter vermutete.
    „Ich war … ich … Ich habe erst vor zwei Tagen davon erfahren. Sie sagten, Cat sei von einer Schlange gebissen worden und … und ein Fremder hätte sie weggebracht.“
    Mit Schaudern erinnerte sie sich an die Gerüchte und Spekulationen, die sie beinahe um den Verstand gebracht hatten. Das Warten. Die Ungewissheit. Dann der stundenlange Marsch durch die Wildnis, ständig von Hunger, Durst und Müdigkeit und der Furcht vor Übergriffen geplagt.
    „Ich hatte solche Angst um Cat und ich habe gebetet, es möge kein Fremder sein. Ich habe gehofft und gewünscht, dass du gekommen bist. Es tut mir so leid, weil ich nicht für sie da war. Der Pater hatte …“ Für einen Moment schloss sie die Augen, als müsste sie tief in sich alle Kraft zum Sprechen sammeln. „Es gibt dort kein öffentliches Telefon. Und das Auto war kaputt. Es gibt bloß dieses eine Fahrzeug im Dorf. Deswegen musste ich zu Fuß gehen.“
    Alain wandte sich zu ihr um, blankes Entsetzen auf seinem Gesicht. „Du hast zwei Tage bis hierher gebraucht?“, stieß er hervor.
    Schuldbewusst senkte sie den Kopf. Gepeinigt von ihrem schlechten Gewissen nickte sie. „Ich konnte nicht schneller laufen, obwohl ich wirklich nicht viele Pausen gemacht habe. Bitte, das musst du mir glauben. Ich wollte so schnell wie möglich zurück sein, weil …“
    „ Nein! Oh, mon dieu , Bea! Bea, das meinte ich nicht. Ich … soll das heißen, du bist seit zwei Tagen ununterbrochen auf den Beinen … nach … nach …“ Alains Stimme überschlug sich, bis er völlig heißer krächzte: „Du warst so lange zu Fuß unterwegs, nachdem du erst entbunden hast?“
    Beate schluchzte auf. Sie hatte nicht mehr die Kraft für eine Erwiderung. Und für eine Lüge war es ohnehin zu spät. Jetzt war alles verloren! Sie ließ ihren Kopf auf die Knie sinken und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Ihre Augen brannten.
    Doch sie konnte nicht mehr weinen.
    „Willst du es mir nicht erklären, Bea? Weshalb hast du mich verlassen? Ohne mir von Alicia zu erzählen. Und warum ausgerechnet … verfluchtes Afrika! Du hättest … warum hast du …“ Er sank in sich zusammen, erschrocken über seinen Ausbruch und sah weg. „Ich möchte es doch lediglich verstehen. Und dir helfen.“
    „Das geht nicht. Du kannst uns nicht helfen und auch nicht mitnehmen, Alain. Es ist völlig ausgeschlossen.“
    „ Dieser Urwald, das schwöre ich hoch und heilig, wird nicht länger der Platz sein, an dem unsere Tochter aufwächst.“
    „Ich kann nicht weg.“ Ihre Stimme klang verzweifelt.
    „Erkläre es mir.“
    „Wie? Sag mir, wie soll ich diese Jahre erklären, da ich selbst kaum verste he, was geschehen ist?“
    „Bea, bitte.“
    „Du wirst niemals Ruhe geben, nicht wahr?“
    „Nein.“ Er seufzte resigniert. „Ich habe dich zu lange gesucht, um direkt am Ziel aufzugeben. So verrückt bin nicht mal ich.“
    „Unverbesserlicher Dickko pf, der du bist.“
    Das erste Mal, seit sie sich in dem spartanischen Krankenzimmer begegnet waren, verzog Beate den Mund zu einem vorsichtigen Lächeln.
    „Deine Augen sind schlechter geworden. Ich hatte vergessen, dass

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