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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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zwang sich zur Ruhe, griff zum Telefonhörer und wählte mit zittrigen Fingern die Nummer ihrer Eltern, die fast tausend Kilometer entfernt in einem kleinen Bergdorf wohnten. Wie nicht anders erwartet, nahmen sie mit überschwänglicher Freude von dem bevorstehenden Besuch ihrer Tochter Kenntnis. Der neugierig drängenden Frage nach Adrian wich sie wie jedes Mal mit standhafter Gleichmütigkeit aus. Sie würde ihren Eltern früh genug die bittere Wahrheit erzählen müssen.
     
    Der Rest des Nachmittags verging, ohne dass Susanne Adrian noch einmal zu Gesicht bekam. Mit jeder Minute, die verstrich, wuchs ihr Unmut. Aufgebracht stapfte sie durch die Wohnung und versuchte, ihre Wut an der Unordnung in den Zimmern auszulassen.
    Un-ord-nung ? Einfach lächerlich! Eine liegengelassene Zeitung vom Vortag. Staub, den sie erst zwei Tagen zuvor aufgewirbelt hatte. Ein paar Hemden und Blusen, die sie halbtrocken von der Wäscheleine nehmen und bügeln könnte (wenn sie es denn gewollt hätte – selbstverständlich wollte sie nicht). Gütiger Gott, in dieser Wohnung konnte keine Unordnung herrschen! Hier lebte niemand!
    Sie gab sich keine Mühe , leise zu sein. Im Gegenteil, irgendetwas reizte sie daran, Adrian mit so viel Lärm wie möglich in seinem Schlupfloch zu stören. Sie wollte ihm in den Schädel hämmern: „Ich bin auch noch da! Willst du mich nicht endlich zur Kenntnis nehmen?“ Es war ihr unbegreiflich, wie dieser Kerl Urlaub machen konnte, um sich mit einem Freund zu treffen, ihr selber aber kaum zehn Minuten zugestand. Was war mit ihr? War es zu viel verlangt, wenigstens ab und an etwas Zeit mit der Mutter seines Kindes zu verbringen? Warum ging er ihr ständig aus dem Weg?
    Das fragte sich zur gleichen Zeit auch Adrian, der, den Ko pf in beide Hände gestützt, zwischen drei laufenden Computern an einem futuristisch anmutenden Schreibtisch voll elektronischer Geräte saß, Berge von Papier vor sich aufgetürmt hatte und diese mit Missachtung strafte. Seit einer Stunde starrte er aus dem Fenster und zuckte jedes Mal zusammen, wenn eine Tür zuknallte, Stühle quietschend über das Parkett geschleift wurden oder ein Bücherstapel in sich zusammenfiel. Er saugte den ohrenbetäubenden Krach, den Suse absichtlich verursachte, in sich auf, als sei es Luft zum Atmen.
    Er hätte von Anfang an die Finger von ihr lassen müssen! Dass er bei ihrer ersten Begegnung den Kopf verloren hatte, konnte er mit etwas gutem Willen dem Überraschungseffekt zuschreiben, den Suses Auftauchen in ihm ausgelöst hatte. Doch spätestens vor der ersten gemeinsamen Nacht hätte er die Notbremse ziehen müssen. Und niemals, wirklich niemals hätte er auf die „Heinrich“ aufsteigen dürfen, die sein Freund befehligte. Auf der er Suse wiedersah. Und um ihre Hand anhielt.
    Er brauchte sie! Er war bis über beide Ohren in sie verliebt! Eins hatte er inzwischen begriffen, nämlich dass er in Sachen Liebe immensen Nachholbedarf hatte. Tiefe Gefühle machten angreifbar, schürten die Angst, etwas, was man liebte, wieder zu verlieren. Sie hatte etwas geschafft, was keinem mehr gelungen war, seit er ein ganz kleines Kind gewesen war. Sie hatte seine eiserne Selbstbeherrschung erschüttert. Vielleicht tat ja deshalb auf einmal alles so weh.
    Dies war en ihre letzten gemeinsamen Stunden. Was hatte er Susanne nicht alles sagen wollen. Nichts von dem durfte er sie wissen lassen.
    Zumindest sollte er ihr erklären, dass er sie …
    Adrian schüttelte betrübt den Kopf. Nein, alles, bloß das nicht! Trotzdem hätte sie wenigstens erfahren müssen, wie wichtig sie ihm war. Stattdessen hatte er feige die Gelegenheit verstreichen lassen und die Flucht ergriffen.
    Sein Blick fiel auf den Barwagen, in dem sich die leeren Flaschen türmten. Er widerte sich selber an. Was war nur aus ihm geworden? Nicht, dass er je Stolz auf sich oder seine Taten empfunden hätte.
    J etzt dagegen verabscheute er sich.

9 . Kapitel
     
    Das Abendessen nahmen sie in einer zum Zerreißen gespannten Atmosphäre ein. Irgendwann wurde das Schweigen zwischen ihnen derart eisig, dass Susanne fürchtete, die Stubenfliegen würden tiefgefroren auf ihre Teller klatschen. Was für ein Fortschritt, dachte sie voll Bitterkeit, wenn sie diesen mit den einsamen Abenden der Vergangenheit verglich.
    Trotz Adrians Gesellschaft schmeckte ihr das Essen nicht.
    Ein Glas Tee in der Hand ging sie nach nebenan in das Wohnzimmer und ließ sich in einem Sessel ihrem Mann gegenüber nieder. Er stierte

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