Begegnungen (Das Kleeblatt)
wie sie selbst sofort bemerkte. Verlegen wischte sie sich die Hände an der Hose ab.
Adrian ging nicht darauf ein, sondern begrüßte sie mit einem reumütigen Lächeln. „Ich habe mir heute einen Tag Urlaub genehmigt.“
Vor Überraschung weiteten sich ihre Augen. „Urlaub? Oh, das … Du hast mir gar nichts davon erzählt.“
Meine Güte, welch alberne Gans du bist! Warum sollte er auch? Sie waren sich keine Rechenschaft schuldig. Sie teilten sich nur zufällig eine Wohnung und ein Bett. Und hatten dabei unbeabsichtigt ein Kind gemacht.
„Ein alter Freund ist unerwartet in der Stadt aufgetaucht und wollte sich mit mir treffen.“
„Ach. Deshalb also. Wie schön.“
Die Freude über sein frühzeitiges Erscheinen schwand aus ihrem Herz. Eine eiserne Faust schloss sich darum, um es vor der Enttäuschung zu schützen. Er hatte sich nicht ihretwegen einen Tag frei genommen. Sie wagte nicht zu fragen, ob er sich mit Matthias Clausing getroffen hatte. Einen anderen Freund kannte sie nicht.
„Möchtest du etwas ? Vielleicht auch einen Kaffee? Ich habe gerade Brötchen für das Abendessen gebacken. Aber wenn du möchtest …“
„Nein, danke. Ich muss noch“, sein Blick irrte unruhig durch den Raum, bis er mit einer knappen Kopfbewegung auf die Tür zu seinem Arbeitszimmer deutete, „etwas erledigen.“
Eiskalte Ernüchterung war ihr ins Gesicht geschrieben, sodass er sanft anfügte: „Zu einem Kaffee jedoch sage ich nicht nein.“
Nun, das war nicht gerade das, was er sich selber für den Nachmittag mit Suse vorgenommen hatte. Er verschränkte die Arme vor der Brust aus Angst, er könnte seine Frau aus Versehen an sich ziehen und damit seine mühseligen Vorbereitungen für den letzten und entscheidenden Schlag zunichtemachen.
„Ich bringe dir gleich eine Tasse.“
„Lass nur , du musst dir keine Umstände machen. Ich werde solange hier warten.“
Natürlich! Wie konnte sie das vergessen? Wenn er in se inem Heiligtum arbeiten wollte – oder was immer es war, womit er sich dort stundenlang beschäftigte –, konnte er keine Störung gebrauchen. Da war ihm selbst ihr lautloses Erscheinen und Verschwinden zu viel. In der Zwischenzeit hatte sie gelernt, sich derart unsichtbar zu machen, dass sie manchmal regelrecht Angst davor hatte, eines Tages ganz zu verschwinden.
„Was … w as gibt es … Neues bei dir?“
Vor Verblüffung vergaß Suse, wie viele Löffel Kaffee pulver sie bereits in den Filter abgezählt hatte. Adrian forderte sie zum Erzählen auf! Er unternahm den Versuch, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Irgendetwas ging hier vor. Etwas Unerklärliches, Rätselhaftes. Er ist anders, völlig anders, stellte sie fest. Richtiggehend nett. Zumindest bemühte er sich ernsthaft darum. Doch diese Verwandlung rief nicht bloß ihr Erstaunen, sondern mehr noch ihren Argwohn wach. Sie schwor sich, auf der Hut zu sein.
„ Rüdiger hat meinen Urlaub endlich genehmigt.“
„Gut.“
„Mit einem Mal hat er nichts mehr dagegen. Ich soll ruhig so lange Urlaub machen, wie ich will. Und scheißfreundlich war er plötzlich, dass alle ein Auge ausgefahren haben.“
Meinem allmächtigen Freund sei Dank, dachte Adrian voll Grimm und zuckte mit der Schulter.
„Ich werde wahrscheinlich … ich werde nächste Woche ein paar Tage zu meinen Eltern fahren.“
„Ja, das solltest du tun.“
Hatte er dieses Thema nicht längst abgehakt geglaubt? Was wollte sie ihm wirklich sagen?
„Ich möchte ihnen die Neuigkeit nicht am Telefon verkünden. Es wird ihr erstes Enkelkind sein. Jasdan macht bisher keinerlei Anstalten und du weißt ja, wie Mütter sind …“
Adrian schaute kurz auf und durchbohrte sie mit einem kalten Blick. Was plapperte sie da? Sie tat ja gerade so, als würde er mittlerweile an Verkalkung leiden. Als ob er sich nicht mehr erinnern könnte, dass sie ihm das längst mitgeteilt hatte. Und bestimmt nicht nur einmal. Zweifelte sie inzwischen sogar an seinem Verstand?
„Nein “, stieß er hervor. „Das weiß ich nicht.“
„ Entschuldige. Nun, ich dachte mir … Du hast mir nie erzählt, bei wem du in Irland aufgewachsen bist.“
Er erwiderte etwas in einer Sprache, die sie nicht verstand, aber seiner grimmigen Miene nach zu urteilen, hätte es durchaus eine Verwünschung sein können. Auch ohne deutlicher zu werden, hatte er ihr zu verstehen gegeben, dass dieses Thema ein Tabu war.
„ Hast du noch einmal darüber nachgedacht, ob du nicht doch mit mir fahren möchtest?“
Skeptisch
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