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Begehrter Feind

Begehrter Feind

Titel: Begehrter Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Kean
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führte er sie ins Haupthaus und dort eine Steintreppe hinauf in die große Halle. Oben an der Treppe zögerte Gisela kurz, denn die riesige schattige Halle war noch viel beängstigender, als sie gedacht hatte.
    An einer Wand war ein sehr großer Kamin, in dem ein Feuer brannte. Männer, Frauen und Kinder – die Bediensteten der Burg –, schliefen auf Pritschen auf dem mit Binsen ausgestreuten Boden. Dort würden auch Ewan und sie schlafen, wenn sie auf einer Burg lebten. Leises Schnarchen erfüllte den Raum, und hier und da regten sich Hunde. Als Gisela und Ewan zwischen den Pritschen hindurchgingen, hoben einige der Hunde ihre Köpfe und stellten die Ohren auf.
    Der blonde Mann stieg eine Holztreppe hinauf, die zur oberen Ebene führte. Seine Stiefel klopften dröhnend auf den Stufen.
    »Mama«, wisperte Ewan. »Wohin gehen wir?«
    Der Mann drehte sich zu ihnen um und murmelte: »Zu Lord de Lanceau natürlich.«
    »Warum nach oben? Besuchen wir ihn etwa in seinem Schlafzimmer?« Ewans Stimme wurde mit jedem Wort lauter. »Was hat denn ein Lord im Bett an? Hat er richtige Sachen für nachts, oder schläft er in seinen Unterkleidern?«
    Gisela fühlte, wie sie tiefrot wurde. »Psst, Ewan!«
    »Aber, Mama …«
    »Er empfängt euch in einem seiner Gemächer, weil er die Bediensteten nicht wecken will«, erklärte der Mann, der sichtlich Mühe hatte, nicht zu grinsen.
    Gisela flüsterte ein leises »Danke« und war froh, dass Ewan schwieg. Zugleich wurde ihre Angst beständig größer. Jede Stufe brachte sie dem Moment näher, in dem sie ihren Betrug gestehen musste – ebenso wie ihre Verantwortung für das, was Dominic zugestoßen war. Hätte sie ihm gleich beim ersten Mal, als er die gestohlene Seide erwähnt hatte, die Wahrheit gesagt, wäre er jetzt nicht in Gefahr.
    Oben sammelte sich der Rauch des Feuers, so dass ihre Augen brannten. Während sie mit Ewan die schmale Empore überquerte und in einen Korridor dahinter ging, betete sie, dass Dominic nichts Schlimmes zugestoßen sein mochte.
Ich liebe dich, Dominic – mehr, als du dir vorstellen kannst! Und ich werde alles tun, was ich kann, um dich zu retten!
    Der Blonde führte sie an mehreren hohen Türen vorbei. Weiter hinten auf dem Korridor, der von Fackeln beleuchtet wurde, öffnete er eine Tür und brachte sie in einen großen Raum. »Wartet hier!«
    Gisela ging hinein. Eine rote Wolldecke war auf dem Boden ausgebreitet, auf der ein kleiner Holzwagen, geschnitzte Tiere, eine Burg aus Holz sowie kleine Soldatenfiguren verstreut lagen. Es sah aus, als hätte ein Kind das Zimmer mitten im Spiel verlassen. Giselas Blick fiel auf einen Stoffdrachen, der auf einer großen Eichentruhe lag. Fast im selben Moment stieß Ewan einen stummen Schrei aus, entwand sich ihr und rannte zur Truhe.
    »Mama, guck mal!«, rief er und hob den Drachen hoch.
    Sie ging zu ihm. »Das ist aber ein eindrucksvoller Drache!« Die Stoffschuppen waren sehr aufwendig mit Goldfaden bestickt. Gisela hatte schon gehört, dass de Lanceaus Frau, Lady Elizabeth, hervorragend sticken konnte.
    Aus dem Flur vernahm sie, wie eine Tür geschlossen wurde und sich dann schwere Schritte näherten.
    Gott, gib mir die Kraft, das zu tun, was ich tun muss!
    Gisela faltete die Hände und drehte sich zur Tür. Ein großer Mann blieb vor dem Zimmer stehen. Er fuhr sich mit einer Hand durch das braune schlafzerzauste Haar. Dann sah er den blonden Mann fragend an, der gleich an der Tür stand. »Aldwin.«
    »Mylord.« Aldwin nickte mit dem Kopf zu Gisela.
    Als de Lanceaus stahlgraue Augen sich auf sie richteten, erschauderte Gisela, fiel auf die Knie und zog Ewan zu sich. »Lord de Lanceau«, sagte sie und neigte den Kopf.
    Sie hörte, wie er näher kam.
    »Und du bist?«, fragte er.
    »Gisela Anne Balewyne«, antwortete sie zitternd. »Dies … ist mein Sohn Ewan.«
    »Gisela«, murmelte Lanceau verwundert. Ihr Name schien ihm bekannt vorzukommen, als hätte jemand erst kürzlich von ihr gesprochen. »Dominic erwähnte dich in einem seiner Schreiben«, fügte er hinzu.
    »H-hat er das?« O Gott! Was hatte Dominic gesagt? Wusste er, als er die Nachricht schrieb, dass sie die gestohlene Seide bei sich versteckte? Ängstlich blickte sie zu de Lanceau auf.
    Er sah ihr direkt in die Augen. Sein hübsches sonnengebräuntes Gesicht entspannte sich merklich, und er lächelte. Dann hielt er ihr die Hand hin. »Bitte, steh auf! Ich habe genug Zeit auf diesem Boden verbracht, um zu wissen, wie unbequem er

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