Begehrter Feind
ist.«
Gisela blinzelte. »Aber, Mylord …«
Bevor sie weitersprechen konnte, hatte er ihre Hand gefasst und zog sie hoch.
»Kann ich hier unten bleiben?«, fragte Ewan, der sein Schwert beiseitegeschoben hatte und sich nun die geschnitzten Tiere ansah.
»
Darf
ich, Mylord«, korrigierte Gisela ihn rasch. »Ich bitte um Verzeihung, Lord de Lanceau, aber wir sind es nicht gewohnt, mit Adligen Eures Ranges zu sprechen … ich meine … nun ja, wir sind sehr einfache Leute.«
Innerlich wand sie sich. Viel unbedarfter und dümmer konnte sie wohl kaum klingen!
Zu ihrer Verwunderung lächelte de Lanceau immer noch. »Meine Gattin und ich haben auch einen Sohn, Edouard. Er ist ein wenig jünger als dein Ewan, aber wir haben schon begriffen, dass kleine Jungen sehr … stur sein können.« Er schüttelte den Kopf, bevor er wieder ernster wurde. »Wie ich höre, bringst du Nachrichten von Dominic.«
Sie nickte. »Ich fürchte, sein Leben ist in Gefahr. Heute Abend wurde er zusammengeschlagen und verschleppt …«
»Zusammengeschlagen!« Wut blitzte in de Lanceaus Augen auf. »Von wem?«
»Von Varden Crenardieus Männern.« Sie benetzte sich die Lippen. »Er ist ein wohlhabender Kaufmann, der unser Dorf Clovebury tyrannisiert. Er steckt hinter … er hat Eure Tuchladung gestohlen.«
De Lanceau sah erst zu Aldwin, dann wieder zu Gisela.
»Dominic vertraute mir an, dass er den Auftrag hätte, nach der Seide zu suchen«, fuhr sie fort. »Er entdeckte Crenardieus Betrug und versuchte, Euch gestern Abend eine Nachricht zu schicken, aber sie kamen dahinter und nahmen ihn gefangen.«
»Gütiger!« Er klang zornig und besorgt. »Kennst du diesen Mann, Crenardieu?«
»Ja.« Ihr Magen krampfte sich zusammen, als sie sich für ihre Enthüllung wappnete. »Er und seine Lakaien kamen oft in meine Schneiderei. Ich muss gestehen, Mylord, dass ich …«
»Mama«, rief Ewan dazwischen, »erzähl ihm, wie du dem einen die Schale auf den Kopf gehauen hast!«
»Ewan!«, stöhnte sie entsetzt.
In jeder Hand einen Holzsoldaten, knallte der Kleine die beiden zusammen. »
Rumms!
Die Schale ging in ganz viele Stücke. Genauso als du Vater gehauen hast.«
De Lanceau lüpfte die Brauen. Er wartete eindeutig auf eine Erklärung von Gisela.
Sie hielt sich gerade noch davon ab, laut zu stöhnen. Nicht genug damit, dass sie bisher nur höchst Einfältiges von sich gegeben hatte, jetzt dachte Seine Lordschaft gewiss auch noch, sie wäre eine Verrückte, die mit Tonschalen um sich warf! Hilflos fasste sie sich an die Stirn. »Mylord, ich versichere Euch, ich hatte Grund für meine Taten. Ihr müsst verstehen, ich …«
»Geoffrey?« Eine Frauenstimme und das Rascheln von Seide erklang von der Tür. Eine junge Frau mit einem runden Bauch kam hereingeeilt und strich sich dabei die Ärmel ihres bestickten grünen Kleides glatt. Das schwarze Haar fiel ihr offen über den Rücken. »Was sind das für Nachrichten von Dominic?«
Gisela fiel wieder auf die Knie und zog ihren Sohn zu sich. »Mylady.« Sie spürte, wie die Frau sie ansah.
»Elizabeth«, sagte de Lanceau, »das ist Dominics Gisela.«
»Ach so.« Offenbar wusste auch Ihre Ladyschaft schon von ihr. »Und das ist dein Sohn, Gisela?«
»Ja. Sein Name ist Ewan.« Sie wagte es, zu den beiden aufzusehen. »Bitte, Mylord, haltet mich nicht für impertinent, aber ich bin nicht ›Dominics Gisela‹.«
Die Lady lächelte, und es war ein warmes, wissendes Lächeln, das sofort Giselas Neugier weckte. Lady Elizabeth sah sie nicht an, als wäre sie eine betrügerische Diebin. Was genau wusste sie über Gisela?
»Sie erzählte mir gerade von Dominic«, erklärte de Lanceau.
»Schön.« Lady Elizabeth blieb neben ihm stehen und strich sich mit einer Hand über ihr Mieder. »Das möchte ich auch hören.«
Seine Lordschaft runzelte die Stirn. »Diese Angelegenheit sollte dich nicht bekümmern«, erwiderte er und streichelte ihr sanft über den runden Bauch. »Du siehst müde aus, meine Liebe. Warum gehst du nicht ins Bett zurück? Morgen früh werde ich …«
»Mir kein Wort erzählen«, unterbrach sie ihn mit trotzig gerecktem Kinn. »Nein, ich bleibe. Dominic ist auch für mich ein teurer Freund.« De Lanceaus Miene verfinsterte sich, und seine Wangenknochen wurden ein wenig rot. »Elizabeth!«
Sie lächelte liebreizend. »Geoffrey.«
Für einen Moment sahen sich die beiden schweigend an. Zweifellos fochten sie gerade einen stummen Kampf aus. Gisela, die nicht sicher war, wie sie
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