Begehrter Feind
mochte. Die braune Tunika und die Hose schienen ihm etwas zu klein zu sein. Unter dem Arm hatte er eine Stoffpuppe – einen Ritter, der Aufmachung nach zu urteilen.
Die Frau stupste den Jungen an, der mit großen Augen auf Dominics Sporen starrte. Er zuckte zusammen und machte dann rasch eine Verbeugung. Die Frau machte einen Knicks.
Wären seine schmerzenden Rippen nicht, hätte Dominic sich seinerseits galant verbeugt, aber so konnte er lediglich den Kopf neigen. »Guten Tag.«
»Dominic, darf ich dir Ada vorstellen, eine Freundin von mir«, sagte Gisela.
Die Frau nickte. »Guten Tag.«
Dann deutete sie unsicher zu dem Jungen. »Das ist Ewan. Mein Sohn.«
Er hatte recht gehabt, der Junge war ihrer. Für einen winzigen Moment fragte Dominic sich, ob er sein eigenes Kind vor sich hatte. Nein. Gisela und er hatten sich nur zwei Mal vereint, da war es unwahrscheinlich, dass sie gleich ein Kind gezeugt hatten. Dem Alter des Jungen nach jedoch musste sie unmittelbar nach seiner Abreise damals geheiratet und empfangen haben.
Ihr Ehemann war nicht hier, doch sicher würde er bald zurückkehren, seinen Arm um sie legen, sie küssen und seinen Sohn ebenfalls umarmen.
Eine merkwürdige Taubheit überkam Dominic, der es mühsam schaffte, den Jungen anzulächeln. »Guten Tag, Ewan.«
Der Junge betrachtete ihn mit großen Augen, in denen unverkennbar Misstrauen lag, als er von Dominic zu Gisela sah.
»Ewan«, sagte Gisela sanft, »sag Dominic guten Tag.«
Der Junge schürzte die Lippen, und Dominic musste ein Schmunzeln unterdrücken. Der kleine Bursche war offensichtlich ein Trotzkopf. Das musste er von seiner Mutter haben.
»Knöpfchen!«, ermahnte ihn diese.
Das Kind zog die Schultern ein und kniff die Augen ein wenig zusammen, bevor es sagte: »Mama sagt, du bist ihr Freund.«
»Bin ich.«
»Und sie sagt, du bist ein Ritter.«
»Stimmt.«
Nun war der Kleine plötzlich voller Ehrfurcht. »Wirklich?«
Dominic bejahte stumm und strich sich das schweißfeuchte Haar aus der Stirn. Schwitzend wie ein Schwein dürfte er keinen sonderlich guten Eindruck machen.
»Du solltest dich setzen«, sagte Gisela rasch und wies auf die Bank am Tisch. »Ada, ist noch Gemüsesuppe da?«
»Ja, ist noch.« Die ältere Frau wandte sich zum Feuer um.
Mit einem dankbaren Stöhnen sank Dominic auf die Bank, die unter seinem Gewicht knarrte, und streckte die Beine lang aus. Vorsichtig stützte er die Ellbogen auf den Tisch. Sein ganzer Körper seufzte buchstäblich vor Erleichterung.
Vom Herd aus warf Ada ihm einen abschätzigen Blick zu, ehe sie sich wieder dem dampfenden Topf zuwandte.
Dominic schloss die Augen und rieb sich mit einer Hand übers Gesicht. Er mochte sich nicht einmal ausmalen, wie er in den Augen der Frau erscheinen mochte: wie ein Landstreicher, den die gutmütige Gisela in ihr Haus geschleppt hatte. Umso fester nahm er sich vor, seinem Versprechen treu zu bleiben und sich höchst ritterlich zu betragen. Vor allem musste er darauf achten, nicht zu fluchen. In dieser Beziehung war Gisela offenbar besonders empfindlich.
Er hörte, wie sie durchs Zimmer ging und mit Ada flüsterte; dann vernahm er ein dumpfes Klappern auf dem Tisch. Ein vernehmliches Atemholen im Verein mit dem Gefühl, von oben bis unten gemustert zu werden, bewegte ihn dazu, die Augen zu öffnen. Ewan stand kaum eine Handbreit von ihm entfernt und schlug die kleinen Hände zusammen. Der Kleine war so aufgeregt, dass es ihm sichtlich schwerfiel, an sich zu halten. Seinen Spielzeugritter hatte er beiseitegeworfen. Der lag nun bäuchlings auf einem der Strohbetten.
Ewan sog die Unterlippe ein. »Mein Ritter heißt Sir Smug.«
Sir
wie
? Machten sie sich hier über Ritter lustig, indem sie der Puppe einen Namen gaben, der so viel wie »eingebildet« oder »selbstverliebt« bedeutete? »Ach ja? Wie kommt er denn zu diesem feinen Namen?«
»Den hat er von meiner Mama. Sie wollte ihm den Mund so nähen, dass er lächelt, aber das ging nicht richtig. Und jetzt, sagt sie, sieht er eingebildet aus.«
Dominic verkniff sich das Lachen. »Na, dann passt der Name doch sehr gut.«
Nach einer kurzen Pause platzte der Kleine heraus: »Wenn du ein Ritter bist, wo hast du dann dein Schwert?«
Aha. Eine berechtigte Frage. »Das ist an einem sicheren Ort.«
Ewan runzelte die Stirn. »Muss ein Ritter nicht immer sein Schwert bei sich haben?«
»Meistens schon.«
»Ewan«, mischte sich Gisela mit einem entschuldigenden Blick zu Dominic ein, »Dominic
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