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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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der Zügel erforderten.
    Odysseus hatte kurz vor der Stadt ein Hufeisen verloren und musste neu beschlagen werden. Mathieu hatte ihn nicht mit seinem Gewicht belasten wollen, obwohl er nur einen leichten Reiseharnisch unter dem Umhang trug. Die zusätzliche Bürde überflüssiger Erinnerungen machte ihm zudem zu schaffen. Er führte den Reisetrupp ungeduldig zur Schiffslände unterhalb der großen Kathedrale des heiligen Vincent, in der Hoffnung, die Stadt ebenso schnell wieder verlassen zu können, wie er sie betreten hatte.
    Auf dem Wasser herrschte fast noch mehr Trubel als auf den Straßen. Fähren, Flöße, Kähne und Galeeren, unförmige Prahme und dickbäuchige Frachtschiffe schaukelten, Holzbug an Holzbug, an den Ankerplätzen, und schon der erste Eindruck machte klar, dass es einige Zeit in Anspruch nehmen würde, ein passendes Schiff für die königliche Abordnung zu finden. Sie mussten wohl oder übel in Chalon Quartier für die Nacht suchen.
    Der Wirt der Herberge zum Vieux Gaulois in der Nähe des Hafens, hatte den Umfang eines Frachtkahnes und sein Wirtshaus genügend Platz für alle. Geschäftstüchtig musterte er die Delegation, die in seinen ummauerten Hof trabte, und verschränkte dabei grinsend die Hände über der respektablen Wölbung seines Leibes. Seine Augen, zwischen Brauen und Wangen in tiefe Wülste gegraben, funkelten zufrieden, und er nannte dem Ritter einen Übernachtungspreis, der weit über dem Üblichen lag.
    Mathieu übertrug es Jean Vernier, den Habgierigen zur Vernunft zu bringen und sich um die üblichen Einzelheiten der Organisation zu kümmern. »Ein Reitknecht soll sogleich Odysseus zum nächsten Schmied bringen.«
    »Wohin gehst du?«
    Der Ruf erreichte Mathieu schon im Fortgehen. »Ich suche uns ein Schiff«, erklärte er und tauchte in das Gewühl der Gasse vor der Herberge, ehe der Waffenmeister ihn aufhalten oder seine Begleitung anbieten konnte. Mathieu wollte allein sein.
    Wie vermutet, nahm es mehr Zeit in Anspruch, als Mathieu lieb war, mit einem Kapitän handelseinig zu werden, der flussabwärts fuhr und neben seiner Ladung Platz für die Männer und Pferde des Königs hatte. Auch auf der Saône galten die Gesetze des Handels. Das Lilienbanner veranlasste auch den Schiffer, seinen Preis augenblicklich zu verdoppeln. »Morgen bei Sonnenaufgang müsst Ihr da sein, Herr Ritter«, brummte der Kapitän, mit dem sich Mathieu endlich handelseinig zu sein schien. Nach dem abschließenden Handschlag kratzte er sich angestrengt am Kopf. »Und die Bezahlung bekomme ich im Voraus.«
    »Das glaubt Ihr doch selbst nicht, guter Mann.« Mathieu maß das Schlitzohr mit strengem Blick. »Die Hälfte bei Abfahrt und die andere Hälfte, wenn wir in Lyon anlegen.« Nach einigem weiteren Hin und Her gab er ihm schließlich die Anzahlung, und sie schieden beide im Bewusstsein, ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Mathieu verspürte noch nicht den Wunsch, in den Vieux Galois zurückzugehen. Er bog in die nächste Gasse zur Kathedrale des Bischofs von Chalon ein. Seine Eminenz saß vermutlich längst in Vienne und wartete mit seinen Amtsbrüdern darauf, dass Seine Heiligkeit das Konzil eröffnete.
    Der große Platz vor der Kathedrale war das Zentrum des Pelzmarktes. In Holzbuden, auf einfachen Schragentischen oder an tragbaren Balkengestellen hingen und lagen Stapel und Bündel von Pelzen, Häuten und Bälgen. Winzige Maulwurfs- und Eichhörnchenfelle neben rötlich schimmernden Fuchsschwänzen und den feinen Decken des Fuchses. Schwarzbraune Dachsfelle, die dichten Pelze des Marders, die kürzeren des Wiesels und Hasen in allen Braun- und Grautönen. Mathieu wurde wieder an Andrieu erinnert. Die Wälder waren Andrieus Reichtum gewesen. Die Jäger des Grafen waren Männer von besonderer Wichtigkeit. Die schönsten Felle, die sie gejagt hatten, hatten jedoch stets seine Mutter und Mabelle für sich behalten.
    Auch Violante würden solche Pelze gut zu Gesicht stehen. Zum Henker mit all diesen Erinnerungen! Was war es nur, dass Violante sich immer wieder in seine Gedanken einschlich? Ihr Mangel an weiblichen Fehlern und aufdringlichen Eigenschaften? Er hatte weder Eitelkeit noch Klatschsucht oder falschen Ehrgeiz bei ihr entdecken können.
    Keine Lüge, keine Habsucht und schon gar keinen Versuch, ihn mit gespielter Unschuld oder vermeintlicher Schwäche für sich einzunehmen. Mit diesen Mängeln hätte er sie ohne eine Münze in der Tasche, mit nichts als ihrem Stolz im Gepäck, gehen

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