Beginenfeuer
Ritter, und warum sollte ich ihm eine Nachricht zukommen lassen wollen?«
»Ich habe ihn wiedererkannt, er hat Euch in unseren Konvent gebracht. Vielleicht bereut Ihr es, dass Ihr seiner Werbung widerstanden und Euer Schicksal mit dem der Beginen verknüpft habt?«
»Ihr täuscht Euch.« Violante dämpfte die Stimme. Pater Étienne stand viel zu nahe. »Er hat mich beschützt, aber nie umworben.«
»Aber er kann die Augen nicht von Euch lassen.«
»Er fragt sich, was ich hier mache. Er weiß nichts von meiner Mission.«
Eudora beharrte auf ihrem Angebot.
»Um Gottes willen«, wehrte Violante ab. »Ihr könnt ebenso wenig Kontakt mit fremden Männern aufnehmen wie ich. Jeder Versuch würde einen Skandal heraufbeschwören. Ich muss auf eine passendere Gelegenheit hoffen, ihn wiederzusehen.« Bei der Ankunft in Vienne ergab sich eine Möglichkeit. Wie es Mathieu gelang, im Trubel des Hafens an ihre Seite zu gelangen, konnte sie nicht sagen. Eben stand sie noch neben Pater Étienne, und im nächsten Augenblick sah sie im Schutze eines riesigen Streitrosses in vertraute Augen, eingezwängt zwischen Odysseus und der breitschultrigen Figur des Waffenmeisters.
»Violante, was macht Ihr hier? Warum tragt Ihr keine Beginenkleider? Wieso seid Ihr nicht in Strasbourg?« Wie sollte sie ihm alles so schnell erklären? War Pater Étienne in der Nähe? Sie sah ihn nicht.
»Ich bin in Begleitung des Paters Étienne als Bittstellerin für den Erhalt der Beginenhöfe hier.« Hastig versuchte sie so viel wie möglich zu erläutern. »Sie dürfen nicht aufgelöst werden. Nur dort finde ich die Freiheit, die ich suche. Ich muss mit Euch sprechen. Eine vertrauenswürdige Mitschwester in meiner Begleitung wird versuchen, Euch eine Nachricht zukommen zu lassen. Wo werdet Ihr wohnen? Ist Euer Bruder auch hier?«
Abrupt hielt sie inne, denn Pater Étienne tauchte wieder vor ihr auf. Schnell senkte sie den Kopf und sah auf ihre Rocksäume. Mathieu erfasste die Situation. Er konnte ihr noch den Namen des Gasthofes zuraunen, in dem für ihn und seine Begleitung Quartier belegt worden war, dann verschwand er aus ihrem Blickfeld.
M ATHIEU VON A NDRIEU
Vienne, 11. Oktober 1311
»Wie konnte man sie dazu überreden? Welch ein Wahnsinn! Sie bringt sich in Lebensgefahr.«
Jean Vernier warf seinem Freund und Herrn einen Blick zu und ließ ihn schimpfen. Er begriff, dass Mathieu sich Luft machen musste, wenn er nicht platzen wollte. Violante hier zu treffen war schon verwirrend genug gewesen, aber der Anlass ihrer Reise nach Vienne musste den ruhigsten Mann in Rage bringen.
»Was reitet diesen Pater, sich für die Beginen in die Schlacht zu werfen?«, tobte Mathieu weiter. »Er sieht mir nicht nach einem gütigen Seelenhirten aus, der fromme Frauen gegen die Interessen der Kirche verteidigt. Der Kerl ist ein Wolf im Schafspelz.«
»Vielleicht streitet er ja für seine eigenen Interessen«, warf Jean kurz ein.
Seine Vermutung ließ Mathieu kurz innehalten. »Was könnte es einem Mönch nützen, die Sache der Beginen zu seiner eigenen zu machen?«
»Wer sagt dir, dass er das tut?«
»Zum Henker. Ich hätte nie gedacht, dass ich ihr schaden würde, indem ich ihr Namen und Rang zurückgebe. Die Beginen von Strasbourg sind einfache Handwerker- und Bürgersfrauen. Sie erwarten sich von einer Edeldame Wunder, die sie nicht vollbringen kann, und Violante ist gutgläubig genug, sich darauf einzulassen. Was glauben diese närrischen Schwestern?«, grollte er zähneknirschend. »Dass Seine Heiligkeit, von ihrer Jugend bezaubert, von seinem Entschluss ablässt? Der Klerus wird nicht auf den Besitz der Beginen verzichten, selbst wenn es ihr gelingen sollte, den Papst zu betören.«
»Dann bringe sie zur Vernunft und in Sicherheit«, riet Jean. »Sie ist derselbe ehrenwerte Dummkopf wie mein Bruder. Zu viele Ideale und zu wenig Sinn für die Wirklichkeit. Keinem von beiden fällt auf, dass in dieser Welt die Unschuldsengel auf dem Scheiterhaufen landen.«
»Beruhige dich. Du wirst ihr helfen.«
»Werde ich das?«
»Zumindest wirst du zu verhindern wissen, dass ihr Unheil geschieht.«
»Zur Hölle mit deiner guten Meinung von mir.« Der Waffenmeister nahm den Ausbruch für ein Versprechen und nickte bestätigend. Ein ausführlicheres Gespräch wurde vom Wirt der Herberge »Zur Alten Mühle« verhindert. Der Gastwirt, bestens bekannt mit den Flussschiffern, hatte der Delegation des Königs trotz der bedrängten Quartierlage in
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