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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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reisende Edeldame mit Begleitung ausgibt.«
    Simon fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Mathieu sah, dass die Hand zitterte. »Was will sie hier?«
    »Musst du das fragen? Sie will für die Sache der Beginen kämpfen. Ihre Mitschwestern in Strasbourg haben sie wahrscheinlich entsandt, für ihre Gemeinschaften zu sprechen. Aufgrund des königlichen Schutzbriefes, den ich ihr verschafft habe, nehmen sie wohl an, dass sie über den nötigen Einfluss beim Papst verfügt.«
    Er sah, wie sein Bruder den Kopf schüttelte und mit fahrigen Fingern nach dem Holzkreuz griff, das er an einer Schnur um den Hals trug.
    »Sie wird sich im besten Fall lächerlich machen, im schlimmsten wird sie in den Fängen der Inquisition landen«, sagte er tonlos. »Die Entscheidung ist unumstößlich gefallen. Es sei denn, der König…«
    »Seine Majestät wird sich nicht in die Entscheidung einmischen, wenn der Papst, wie erwartet, den Templerorden verbietet.«
    Sie tauschten einen Blick, und Simon traf auf der Stelle für sich eine Entscheidung. »Sie muss fort. Wo ist sie?«
    »Vernier versucht das gerade herauszufinden.«
    »Und wenn er sie findet?«
    »Dann musst du ihr klar machen, dass dieses wahnsinnige Unternehmen zum Scheitern verurteilt ist. Dir wird sie am ehesten glauben.«
    »Mir? Hast du vergessen, was sie in Paris gesagt hat?«
    »Das liegt mehr als ein Jahr zurück, und es wurde im Schock gesagt. Sie ist erwachsen geworden.«
    »Ich bezweifle das. Wenn sie sich auf ein Abenteuer wie dieses eingelassen hat, wie soll man da eine vernünftige Entscheidung von ihr erwarten?« Mathieu fuhr sich gereizt mit den Fingern durch die Haare.
    Dass er seinem Bruder zustimmte, machte die Sache nicht einfacher.
    »Trotzdem, wir müssen verhindern, dass sie mit ihrem Anliegen bis zum Papst vordringt. Dieser Pater in ihrer Begleitung wird sie in ihr Unglück rennen lassen.«
    »Haben wir etwas anderes getan?«

A CHTZEHNTES K APITEL
    Täuschung
     
     
     
    V IOLANTE VON C OURTENAY
    Vienne, Kreuzgang der Kathedrale, 17. Oktober 1311
     
    Violante suchte den Schatten. Unter den Bögen des Kreuzganges an der nördlichen Kirchenmauer fand sie ein wenig Schutz vor der unbarmherzigen Sonne. Es war viel zu heiß für Oktober. Das elegante goldgewirkte Gewand, in das ihr Eudora an diesem Morgen geholfen hatte, lastete bleiern schwer auf ihren Schultern. Schweißtropfen sammelten sich in ihrem Nacken.
    Ein Schleier, an einer perlenbestickten Haube befestigt, verhüllte ihr Gesicht und hielt jeden erfrischenden Luftzug ab. Eudora trug ein dünnes, schlichtes Wollkleid. Violante beneidete sie darum.
    »Seht nur, diese wunderbaren Figuren am Ende der Säulen. So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen.« Violante konnte die Feinheiten der Steinmetzarbeiten durch das Gewebe vor ihren Augen kaum erkennen. »Ich fände, ehrlich gesagt, den Anblick einer Wolke noch erfreulicher«, erwiderte sie und wedelte sich mit den Händen ein wenig Luft unter den Schleier. »Ich wünschte, es würde regnen.«
    »Wie könnt Ihr Euch jetzt Regen wünschen? Wir müssen warten, bis die Prozession der Kurienmitglieder aus dem Dom kommt und zum Palast des Erzbischofs zieht. Bevor sich alle Schaulustigen in Bewegung setzen, sollten wir uns jedoch einen Platz neben dem Tor des Palastes sichern. Pater Étienne will uns dort erwarten.«
    Die vergangenen Tage hatten sie im Liebfrauenkloster neben der Kirche verbracht. Erst an diesem Vormittag war Pater Étienne erschienen, um ihnen ausführliche Anweisungen zu geben.
    Sie durfte nicht versagen! Entschlossen straffte Violante die Schultern und schlug den Schleier nach hinten. Mit der Barriere aus Stoff verschwand das Gefühl, im nächsten Augenblick zu ersticken.
    »Ihr müsst in der Sonne auf Eure Haut achten, Schwester«, warnte Eudora. »Ihr könnt nicht braun wie eine Bäuerin vor die hohen Herren treten.«
    »Ich brauche Luft«, erwiderte sie mit einem tiefen Atemzug. »Dieser zusätzliche Umhang ist eine lästige Modetorheit.«
    »Ihr müsst das doch gewohnt sein.«
    Erst durch Eudoras Bemerkung wurde ihr klar, dass sie annahm, sie sei in Paris im Palast des Königs aus und ein gegangen. Sie zwang sich zu einem Lächeln und versuchte so nahe wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. »Ich hatte anderes im Kopf und habe mich um Mode nicht gekümmert.« Eudora nickte teilnahmsvoll. »Verzeiht. Ich wollte Euch nicht an die Vergangenheit erinnern.«
    »Schon gut…«, beendete Violante das Gespräch und machte sich auf

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