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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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den Weg zur Residenz des Erzbischofs. Die Garde Seiner Eminenz hielt die Menge am Prachttor des Palastes zurück, aber es gelang den beiden Frauen, einen Platz unmittelbar neben den flachen Stufen zu erobern.
    Violante fühlte die heißen Steine durch die dünnen Sohlen ihrer Schuhe. Das Gemurmel der Menge schwoll an. Endlich näherten sich die Würdenträger gemessenen Schrittes. Eine Woge aus roten und violetten Soutanen. Als sie wie alle anderen auf die Knie sinken wollte, verschwamm ihr die Prozession vor den Augen. Sie verlor das Gleichgewicht und wurde von einer festen Hand am Arm ergriffen.
    »Siehst du nicht, dass deine Herrin einer Ohnmacht nahe ist? Sie sollte nicht in der prallen Sonne stehen.« Die Worte waren mit italienischem Akzent, aber mit wohlklingender Stimme an Eudora gerichtet.
    Violante fühlte durch die Hilfe des Fremden wieder festen Boden unter den Füßen. Welch dummer Schwächeanfall, dachte sie und erkannte unter der Mitra den hohen Kirchenfürsten. Kohlschwarze Augen in einem gebräunten Gesicht mit scharfer Raubvogelnase musterten sie eindringlich. »Verzeiht meine Unbesonnenheit, ich will Euch nicht zur Last fallen«, entschuldigte sie sich.
    »Das tut Ihr nicht. Kommt in den Schatten, damit Ihr Euch erholen könnt.«
    Violante hatte einen Kardinal vor sich. Pater Étiennes Anweisungen kamen ihr sofort ins Gedächtnis. Durfte sie die unverhoffte Gelegenheit ungenutzt lassen? Sie beschloss, selbst zu handeln und nicht auf den Pater zu warten. »Ich möchte nicht anmaßend sein, aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit, mich in den Schatten des Palastes zu setzen, Eminenz?«
    »Stütze deine Herrin und folgt mir«, befahl der Kardinal Eudora. Er geleitete sie an den Garden und Bewaffneten vorbei. Niemand schenkte ihnen große Beachtung. Alle drängten in eine Richtung.
    »Seine Heiligkeit hat den Gesandten des Königs von Frankreich zum Mahl geladen.«
    Der Kardinal hatte den Ton gewechselt. Vom Samariter wurde er ganz zum höflichen Edelmann. »Zählt Ihr ebenfalls zu seinen Gästen?«
    »Meine Herrin ist Violante von Courtenay, eine Verwandte Seiner Majestät des Königs«, platzte Eudora heraus. Violante erschrak über den vorwitzigen Verstoß Eudoras gegen die Höflichkeit, war ihr jedoch zutiefst dankbar für die schnelle Reaktion. Der Kardinal fand so viel Eifer zum Schmunzeln.
    »Dann erlaubt, dass ich Euch zu Tisch geleite. Ich bin Giacomo Colonna. Wir haben denselben Weg«, wandte er sich an Violante.
    Er reichte ihr ein wenig steif die geschlossene Hand, nachdem er einem herbeigeeilten Mönch den Stab übergeben und die Mitra gegen ein schlichtes Käppchen ausgetauscht hatte, das seine Tonsur bedeckte.
    Ohne zu zögern, nahm Violante die ihr gebotene Hand an und vergewisserte sich mit einem kurzen Blick, dass Eudora dem Diener des Kardinals folgte, wie er sie angewiesen hatte, und dem Ausgang entgegenging. Sie war sich sicher, dass sie Pater Étienne über alles, was vorgefallen war, unterrichten würde, und ein leises Lächeln des Triumphs lag dabei auf ihren Zügen. Dem Kardinal entging es nicht, und sein Interesse an ihr, wie sie sicher an seiner Seite den Speisesaal betrat, nahm zu. Der Italiener in ihm erwachte. Die bewundernden Blicke, die seiner Begleiterin folgten, schmeichelten ihm.
    An der Stirnseite des Saales, auf dem erhöhten Podest, stand eine Reihe geschnitzter Lehnstühle, an den Längsseiten warteten stoffgepolsterte Bänke auf die Gäste. Die Tische waren strahlend weiß gedeckt, mit silbernen Bechern, polierten Zinntellern und Fingerschalen. Von den riesigen Bratenbrettern, die Küchenknechte herbeitrugen, tropfte der Saft auf den Steinboden. Mundschenke mit gewaltigen Weinkannen füllten die Becher. Die köstlichen Gerüche weckten vergessenen Hunger auch bei Violante.
    Der Kardinal geleitete sie geschickt durch das Gedränge. Man wich respektvoll zur Seite, und er sicherte ihnen einen Platz an der rechten Seitentafel, etwas entfernt von der Stirnseite, aber doch so nahe, dass Violante einen guten Überblick hatte. In der aufgeschwemmten, schwerfälligen Gestalt glaubte sie den Heiligen Vater zu erkennen.
    Der Kardinal lächelte maliziös, als Violante ihn danach fragte. »Entspricht er nicht Euren Erwartungen?«
    »Das wollte ich nicht sagen. Es ist das erste Mal, dass ich den Stellvertreter Gottes sehe. Ich hatte mir keine Vorstellung von ihm gemacht.«
    »Wie auch immer, meine Tochter. Die Küche Seiner Heiligkeit jedenfalls gibt selten Anlass zur

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