Beginenfeuer
keinen Erfolg hast, suche Pater Étienne. Er wird ihren Aufenthalt kennen. Aber sei auf der Hut vor ihm.«
»Wie stellst du dir das vor? Vienne ist voller Mönche, Priester und Pilger.«
»Er ist Dominikaner. Ein Mann mit dem ausdruckslosen Blick einer Grabfigur und hellen, schütteren Haaren, kaum größer als Violante, aber doppelt so breit.«
B RUDER S IMON
Vienne, Rue Calixte II. 18. Oktober 1311
In der Rue Calixte II. neben dem großen Dom, residierten die meisten der italienischen Kardinäle. Simon wusste zwar noch nicht, wie er Violantes Spur finden sollte, aber ein paar Worte mit dem Wachposten am Hauptportal des Domherrenhauses konnten vielleicht Aufklärung bringen. Es war unmöglich, direkt, ohne Auftrag Seiner Heiligkeit oder des Erzdiakons, einen Kardinal aufzusuchen, und jemanden wie Colonna schon gar nicht.
Er überquerte eben die Straße, als ein ungewöhnlich breitschultriger Dominikanerpater aus dem Tor trat und sich missmutig umsah.
»Gott zum Gruße, Bruder«, sprach Simon ihn kurz entschlossen an.
Der Mönch erwiderte den Gruß in französischer Sprache. »Ihr seid kein Italiener?«, brachte Simon das Gespräch möglichst unverbindlich in Gang. »Euer Akzent klingt nördlich. Elsass? Kann das sein?«
»Ihr habt ein feines Ohr, Bruder.«
»Man tut sich leichter im Haushalt Seiner Heiligkeit, wenn man die vielen Menschen richtig einordnen kann, die dort ein und aus gehen.«
Simon bemerkte, dass er mit dieser Bemerkung lebhaftes Interesse geweckt hatte.
»Ihr lebt in Avignon? Seid Ihr etwa ein direkter Diener des Papstes?«
»Ich bin einer seiner geheimen Schreiber. Und Ihr? Seid Ihr in Begleitung Eures Abtes in Vienne? Oder zählt Ihr gar zum Gefolge des berühmten Gelehrten, Meister Eckard aus Strasbourg, wenn Ihr aus dem Elsass stammt?«
»Leider nein. Der kluge Mann ist mir unbekannt. Ich bin nur ein einfacher Dominikanerpater von dort. Dazu abgeordnet, eine Dame zu begleiten.«
Simon misstraute seinem Glück. Hatte er wirklich auf Anhieb Pater Étienne gefunden? Befand sich Violante tatsächlich im Hause Colonnas? Er suchte nach einem Grund, den Bruder zu begleiten und zu befragen.
»Wie ich Euch beneide, Bruder«, machte es ihm der Dominikaner leicht. »Ihr habt es weit gebracht. Ich würde mir nichts mehr wünschen, als in der Nähe des Papstes zu sein. Strasbourg ist weit entfernt vom Herzen der Kirche. Allein, was kann ich tun, ich bin nicht der Sprößling einer angesehenen Familie. Außerdem fehlen mir die nötigen Verbindungen.«
»Habt Ihr denn nie mit Eurem Abt über Euren Ehrgeiz gesprochen?«
»Er mahnt mich zu mehr Bescheidenheit. Es ist ein Wunder, dass er mir erlaubt hat, diese Reise anzutreten. Wenn es nach ihm geht, werde ich mein Leben lang Beichtvater der Beginen vom Turm bleiben.«
Simons Sinne waren geschärft. Jetzt wusste er, dass er Étienne vor sich hatte. »Habt Ihr noch nicht darüber nachgedacht, dass es dieses Amt bald nicht mehr geben könnte?«
»Seid Ihr dessen schon sicher? Als Schreiber des Papstes könntet Ihr es wissen. Dann lasst mich eine Frage stellen: Haltet Ihr es für möglich, dass eine Bittstellerin Seine Heiligkeit dazu bewegen könnte, seine Entscheidung zu überdenken?« Simon legte seine ganze Überzeugungskraft in die nächsten Worte. »Ganz davon abgesehen, dass sie nie die Möglichkeit bekäme, mit Seiner Heiligkeit unter vier Augen zu sprechen, würde auch sein Neffe, Erzdiakon Pellegrue, dafür sorgen, dass eine einmal gefasste Entscheidung nicht mehr korrigiert wird. Der Papst mag zwar beeinflussbar sein, aber er ist von Männern umgeben, die zu verhindern wissen, dass er seinem Wankelmut nachgibt.«
Er machte eine bedeutungsvolle Pause, ehe er anscheinend beiläufig hinzufügte: »Für diejenigen, die eine solche Bittstellerin unterstützen, hätte es sicher ebenfalls fatale Folgen. Die hohen Geistlichen gehen nicht zimperlich mit ihren Gegnern um.«
Simon sah, dass er den Pater beeindruckt hatte. Er hatte verstanden.
»Ihr seid gut informiert«, überspielte der Dominikaner seinen Schrecken. »Glaubt Ihr, es gibt eine Möglichkeit für mich in Avignon? Der Gedanke, mein Leben ohne Aufgabe in Strasbourg zu verbringen, ist für mich unvorstellbar.«
»Der Erzdiakon trifft die meisten Entscheidungen. Seid ihm gefällig, und Ihr kommt weiter«, erwiderte Simon knapp. »Allerdings solltet Ihr für diesen Fall nicht ausgerechnet im Hause eines italienischen Kardinals wohnen. Was Ihr wohl tut, wie ich
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