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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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vernichtet. Dieses Feuer kann nicht von ungefähr entstanden sein. Man möchte den Beginen das Leben in Brügge verleiden. Der Magistrat der Stadt weigert sich sogar, nach dem Brandstifter suchen zu lassen. Die Herren behaupten, wir hätten das Unheil leichtfertig und aus eigener Schuld verursacht.«
    »Es liegt nicht in meiner Macht, einen Beschluss des Magistrats aufzuheben.«
    »Aber Ihr könnt dem König berichten, dass es ungerecht und falsch ist, uns die Schuld zu geben. Wir bitten um seine Hilfe.« Mathieu unterdrückte ein Lächeln. Unschwer erkannte er den einfallsreichen Kopf der zweiten Meisterin hinter diesem Anliegen. Sie hatte Marie von Vyvern vorgeschickt, weil sie auch noch im Beginengewand als Edelfrau ein hohes Ansehen hatte. Mit dieser Bitte sollten ihm die Hände gebunden werden. Wie konnte er ihnen unchristliche Gewinnsucht nachweisen, wenn sie doch das Opfer von Heimtücke und Ungerechtigkeit geworden waren?
    »Wieso denkt Ihr, man wolle den Beginen das Leben verleiden?«
    »Wir sind den mächtigen Männern dieser Stadt ein Dorn im Auge.« Marie von Vyvern faltete die molligen Hände über ihrem dunkelblauen Umhang. Sie sah ihn streng an. »Nein, tut es nicht mit einem Lächeln ab. Wir leben von unserer eigenen Hände Arbeit und sind keinem Bruder, keinem Schwager oder Vater Rechenschaft schuldig. Wir benutzen unseren Kopf zum Denken und nicht, um ihn in Demut vor dem Mann zu senken, der über uns bestimmt. Deswegen sind uns nur die Frauen wohlgesinnt. Sie schätzen unsere Dienste, wenn es darum geht, die Sterbenden zu begleiten, die Alten zu pflegen, die Töchter zu bilden und die Armen zu speisen. Alles Dinge, um die sich die Männer im Alltag wenig kümmern. Der Brand im Beginenhof hat nicht nur die Fronten zwischen meinen Schwestern und dem Magistrat verhärtet, er wird auch Ärger in die Familien tragen. Seine Majestät sollte davon ebenso erfahren wie von den ungerechten Unterstellungen.«
    »Ihr seid eine beredte Verteidigerin Eurer frommen Gefährtinnen, Marie von Vyvern«, sagte Andrieu nach dieser flammenden Rechtfertigung behutsam. »Seid gewiss, dass Seine Majestät davon erfahren wird.«
    »Der Himmel wird es Euch danken, Seigneur.« Die Begine neigte hoheitsvoll den Kopf.
    Mathieu musste warten, bis sie ihn wieder verlassen hatte, ehe er den Fluch ausstoßen konnte, der ihm schon geraume Zeit auf der Zunge lag.
    »Da ist keine Rede mehr von Urkunden, Rechnungsbüchern und Steuerprivilegien. Es fehlt nicht viel, und sie bitten den König, ihnen ihre Verluste zu ersetzen.«
    »Sie sind klug genug, die Umstände für ihre Zwecke zu nutzen.«
    »Es sind Frauen.«
    »Ich war schon immer der Meinung, dass wir dieses Geschlecht gefährlich unterschätzen.«
    Auch dieses Mal wusste Mathieu, woran sein Waffenmeister dachte. Er zielte auf seine Mutter, die verstorbene Gräfin von Andrieu, und seine Schwester Mabelle, ohne dass ihre Namen fielen. Ihnen hatte er es zuzuschreiben, dass er aus Burgund verbannt worden war. Damals hatte er geschworen, dass nie wieder eine Frau ihn dazu überreden sollte, Dinge zu tun, die er nicht wollte.
    Er ballte die Fäuste und trat stumm ans Fenster. Seit mehr als einem Tag regnete es ununterbrochen. Das Wasser strömte über die glasierten Schindeln des Prinzenhofes, klatschte aus den Mäulern der Wasserspeier und überflutete den Hof. Es verwandelte die ungepflasterten Gassen in schlammige Bäche und die Plätze in Teiche. Man konnte kaum noch unterscheiden, was Weg und was Kanal war. Die Feuchtigkeit des endlosen Niederschlags drang durch die Mauern, drückte den Rauch in die Kamine zurück und erstickte jede Wärme. Unwillkürlich fragte er sich, wie es Marie von Vyvern gelungen sein mochte, so trocken und makellos vor ihm zu erscheinen. Boten die Umhänge aus dem besonderen Stoff der Beginen tatsächlich mehr Schutz vor Regen und Wind als normales flandrisches Wolltuch? Dann war es kein Wunder, dass sie so begehrt waren.
    »Ich mag diese Stadt nicht«, sagte er endlich mit einem tiefen Atemzug und verschränkte die Arme vor der Brust. »Mehr als dreißigtausend Seelen auf so engem Raum nehmen mir die Luft zum Atmen.«
    Der Waffenmeister gab einen brummenden Laut von sich. »Hast du schon vergessen, wie eng es in Paris ist?« Mathieu verzog den Mund.
    »Ich habe auch nie behauptet, es gefalle mir in Paris. All diese Gassen hier, die kaum die Spanne eines Armes breit messen, und die Häuser, die ihre Stockwerke darüber hängen, als würde ihnen der Kopf

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