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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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Bursche, der nie und nimmer von allein auf den Gedanken kommen würde, eine fromme Jungfer zu rauben. Wer war sein Auftraggeber? Wem lag daran, dass man Ysée für tot hielt? Er durfte nicht zögern, das zu ergründen.
    Er wandte sich an eine Begine, die an seinem Alkoven vorbeikam.
    »Habt Ihr nicht eine Medizin für mich, Schwester? Ich muss so schnell wie möglich wieder aufstehen und meine Pflichten erfüllen.«
    Schwester Josepha starrte den ungeduldigen Patienten an. Sie erinnerte sich, dass Berthe am letzten Abend ihres Lebens nicht nur Ysées, sondern auch seinetwegen so außer sich gewesen war.
    »Seid froh, dass Ihr noch am Leben seid, und jammert nicht«, riet sie ihm unwirsch und ging weiter. Simon sah ihr mit offenem Mund nach.
     
     
     
    M ATHIEU VON A NDRIEU
    Brügge, Prinzenhof, 20. November 1309
     
    »Zwei tote Beginen, mehrere verbrannte Lagerschuppen und zerstörte Häuser. Das ist nicht die Bilanz, die Seine Majestät von mir erwartet.«
    Mathieu von Andrieu tippte nachdenklich mit dem Ende der Schreibfeder gegen seine Lippen und zögerte, den ersten Strich zu tun. Wie sollte er die Ereignisse in kurze Worte fassen? Er konnte den König weder mit Vermutungen noch mit nächtlichen Hirngespinsten belästigen. Philipp der Schöne wollte Fakten. Bis jetzt hatte er die unterschiedlichsten Vermutungen über den Brand im Beginenhof gehört.
    »Es riecht nach Aufruhr.« Jean Vernier legte seinen nassen Umhang über einen Hocker vor dem lodernden Kaminfeuer. »Wunderbar, das wird immer besser.« Mathieu rettete sich in Sarkasmus.
    »Sie reden von Brandstiftung.« Jean Vernier wärmte seinen Rücken am Kamin. »Wenn du mich fragst, ist etwas dran.« Mathieu schüttelte den Kopf. »Die Pforten des Beginenhofes vom Weingarten bleiben üblicherweise von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang verschlossen. Wer sollte in dieser Zeit dort eindringen und Feuer legen? Vielleicht war es ja doch ein Missgeschick? Eine vergessene Kerze, eine umgestoßene Laterne.«
    »Eine offene Kerze in einem Lagerschuppen, voll gestopft mit stinkender Schafschur? Das glaubst du selbst nicht. So närrisch sind nicht einmal Frauen. Bedenke zudem die Stunde. Um diese Zeit schläft die ganze Stadt, sicher auch die Beginen.« Dieser Logik konnte sich Mathieu schlecht entziehen. »Und wie sollte die Heimtücke vollbracht worden sein?«
    »Nichts einfacher als das.« Jean Vernier hatte sich den Schauplatz des Brandes genau angesehen, deswegen war er ja bis auf die Knochen nass geworden. »Der Weingarten wird von zahllosen Kanälen durchzogen, und seine Brachwiesen grenzen in ganzer Breite an die Stadtmauer. Denkst du, es fällt einer Menschenseele auf, wenn dort jemand des Nachts über die Mauern klettert? Es gibt genügend Weiden und Buschwerk, die sogar bei Helligkeit Deckung bieten. Zudem ist die Sicherheit des Beginenhofes mehr eine Sache des allgemeinen Respekts denn eine Frage unüberwindlicher Hindernisse. Die frommen Frauen leben in keiner Burg, Jungchen. Eine Hand voll Männer könnte ihr frommes Dorf ohne Verluste im Handstreich nehmen. Das Ganze ist ein Stadtviertel ohne ordentliche Wächter an den Toren. Die Beginen gehen davon aus, dass niemand ohne Erlaubnis eindringt.« Mathieu legte die Feder endgültig zur Seite. »Sprich deine Vermutungen aus und sag, worüber geredet wird.«
    »Man schiebt es allgemein den Gilden in die Schuhe.« Der Altere zählte die Gerüchte an den Fingern auf. »Die einen vermuten, dass es Pieter de Konings Weber gewesen sein müssen. Am Minnewaterhafen verdächtigen sie die Walker des ehrenwerten Zunftmeisters Jan Heye, und in der Waterhalle tippen die Lastenträger gar auf die Gilde der Wollhändler. Einig sind sich alle nur in der Zufriedenheit darüber, dass die Beginen im kommenden Frühling nicht genügend Tuch haben werden, um den Preis verderben zu können.«
    Sein junger Herr stand auf und reckte die verspannten Schultern. Er hatte schon in Paris geahnt, dass dieser Auftrag seine Tücken haben würde.
    »Die Woll- und Tuchhändler? Fiel etwa der Name Cornelis? Glaubt man, er könnte damit zu schaffen haben?« Der Waffenmeister strich sich mit der Rechten über den grau melierten Schnurrbart und schüttelte den Kopf. »Er mag gerissen und ausgefuchst sein, aber er hat in der Stadt den Ruf eines aufrechten Kaufmannes. Wenn man hinter seinem Rücken über ihn tuschelt, dann höchstens über sein jämmerliches Pech mit den Weibern. Schon die zweite ist ihm weggestorben, ohne dass sie ihm den

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