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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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Der Herr war seit zwei Tagen so übler Laune, dass man ihm am besten aus dem Weg ging. Ein Schlag gegen die Tür verriet ihr, dass er ihr einen Becher nachgeworfen hatte, um seinen Befehl zu bekräftigen. Nun, sie hatte zumindest versucht, die Bitte des Besuchers vorzutragen. Mehr konnte sie nicht tun.
    Piet Cornelis hörte ihre Holzschuhe davonklappern. Er stieß einen neuerlichen Fluch aus. Er vermochte sich weder auf seine Lagerlisten noch auf irgendwelche anderen Dinge zu konzentrieren.
    Der Blick des Tuchhändlers kehrte zu den beiden Lederbeuteln zurück. Vor dem Mittagsläuten hatte er sie aus der schweren eisernen Truhe mit dem doppelten Bandverschluss genommen, aber die Hoffnung, sich seines Reichtums zu vergewissern könne ihn ablenken, war vergeblich gewesen. Nicht einmal der sonst so befriedigende Anblick von Gold und Silber besänftigte seine aufgewühlten Gefühle. Er war immer noch wie von Sinnen. Wie hatte es geschehen können, dass Ysée ihm entwischt war? Erst das Geschrei auf der Gasse hatte ihn wieder zu sich kommen lassen. Obwohl ihm die Gaffer die Sicht versperrt hatten, hatte er den Mann erkannt, der Ysée aus dem Staub hob und vor sich aufs Pferd nahm. Der Gesandte des Königs!
    Warum gerade er? Jeder Bürger Brügges oder auch jeder ausländische Gast, der zu Füßen des Beifrieds Handel trieb, hätte ihm weniger Kopfzerbrechen bereitet als Mathieu von Andrieu. Wo steckte dieses aufsässige Mädchen? Im Prinzenhof? Seine Versuche, von dort Auskünfte zu erhalten, waren bisher erfolglos geblieben. So schwer es ihm fiel, er musste auf Josse warten, der seit gestern wie vom Erdboden verschluckt zu sein schien.
    Der Knecht hatte auf seine Weise bisher am meisten erreicht, und er musste ihm willens sein und ein weiteres Mal zu verbotenen Mitteln greifen. Sein Manöver im Weingarten war gefährlich, aber wirkungsvoll gewesen. Es hatte Ysée in seine Hände gebracht und gleichzeitig die Warenvorräte der Beginen vernichtet.
    Sicher, Josse würde sich anfangs sträuben. Er war völlig außer sich, weil eine Begine in den Flammen gestorben war. Es hatte Cornelis Mühe gekostet, den Knecht davon abzuhalten, seine Schuld vor dem Magistrat zu bekennen. Dennoch würde der Glanz des Goldes Josses Gewissen früher oder später besänftigen. Mit Gold lösten sich alle Probleme, dies war die Erfahrung eines langen Kaufmannslebens. Gold hatte nur zwei echte Mängel. Es war an einsamen Abenden ein stummer Gesellschafter und es füllte keine Wiege.
    Das ungewöhnliche Getöse unter seinem Fenster, das ihn schon seit geraumer Zeit in seinen Gedanken störte, nahm an Lautstärke zu. Jetzt vernahm er sogar durch die geschlossenen Scheiben hysterisches Frauenlärmen, Weinen und laute Rufe. Konnte ein Mann denn nicht einmal in seinem eigenen Haus in Ruhe seinen Gedanken nachhängen?
    Ungeduldig stapfte er zum Fenster und riss den großen Flügel so ungestüm auf, dass die kostbaren Scheiben bedrohlich klirrten.
    »Was zum Donner soll der Lärm?«
    Sein Gebrüll löste unmittelbare Stille aus, und er konnte die Zurufe verstehen. »Herr, im Stofflager…«
    »Ein Unglück…«
    »Der arme Teufel wusste nicht mehr…« Das Entsetzen in den Gesichtern sagte dem Handelsherrn, dass es besser sein würde, persönlich nachzusehen. Er eilte mit fliegendem Wams die breite Steintreppe hinab. Gesinde, Schreiber, Lehrlinge und Kontoristen wichen vor ihm zurück. Es blieb einmal mehr Katelin überlassen, die Hiobsbotschaft in Worte zu fassen.
    »Die Lehrlinge aus dem Handelskontor haben Josse gefunden, Herr. Im Stofflager. Sie hatten den Auftrag, den Staub von den Ballen zu bürsten… seht selbst.« Sie deutete auf die offene Tür des Nebengebäudes. Piet Cornelis marschierte ohne weitere Fragen hinein, obwohl er inzwischen ahnte, was ihn erwartete.
    Der Erhängte bewegte sich im Luftzug, als würde er noch leben. Der Strick war sorgsam an einem Querbalken befestigt worden, und die Schlinge hatte sich tief in Josses dünnen Hals gegraben. Der Hocker, der normalerweise dazu diente, die Stoffballen von den oberen Regalen herabzuheben, lag umgestoßen zu seinen Füßen. Das Dämmerlicht im Lager hüllte seine Züge in gnädigen Schatten.
    Der Teufel musste seine Hand im Spiel haben. Sein Leben hatte sich nach Mareikes Tod in ein Knäuel aus Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten verwandelt. Was sollte er tun, um es wieder in Ordnung zu bringen?
    Er machte auf dem Absatz kehrt und floh mit schweren Schritten aus dem Lager.
    »Schneidet

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