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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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war der Beichtvater und Pfarrherr der Beginen. In seinen Händen lag die Entscheidung über alle geistlichen Fragen. Seine Sache war es, einen solchen Vorfall dem Bischof zu melden oder gar dem Kirchengericht vorzutragen.
    Aber war es auch nötig, wenn die Sünderin nicht mehr lebte? Eine schwierige Frage. Sollte sie schweigen? Bruder Simon wusste von dem Buch. Hatte er mit Pater Felix darüber gesprochen? Sie misstraute dem fremden Mönch, obwohl sie nicht genau begründen konnte, weshalb.
    Schritte auf der Treppe verkündeten, dass ihr das neue Amt noch weniger Zeit zur Besinnung ließ. Marie von Vyvern hatte die Stiege erklommen, und ihr Gruß fiel reichlich kurzatmig aus. »Ehrwürdige Mutter.«
    Alaina suchte in den runden, gutmütigen Zügen nach Enttäuschung oder Eifersucht. Marie von Vyvern war älter, von edlerem Blut, und sie hatte ein größeres Vermögen in die Gemeinschaft eingebracht als die Tochter eines Handwerkers aus Brügge. Neidete sie ihr das neue Amt? Der Rat der Schwestern hatte sich letztendlich für sie entschieden. »Ich hoffe, Ihr lastet es mir nicht persönlich an, dass sich der Rat auf meine Person geeinigt hat, Schwester Marie.« Die rundliche Begine hob abwehrend die Hände. »Ich möchte nicht mit Euch tauschen, ehrwürdige Mutter«, sagte sie immer noch kurzatmig. »Ich schätze das stille Leben in unserer Gemeinschaft. Ich habe nicht den Wunsch, öfter als unbedingt erforderlich, Männern wie dem königlichen Gesandten zu begegnen.«
    Alaina verzog das Gesicht. »Ich auch nicht. Ich hoffe nur, Ihr habt ihn davon überzeugen können, dass wir auf die Hilfe des Königs angewiesen sind.«
    »Das wage ich nicht zu hoffen.« Marie von Vyvern faltete die molligen Hände vor der Brust. »Er war höflich, aber ohne jede Emotion. Weshalb ich indes gekommen bin…« Sie machte eine Kopfbewegung zur Tür, und ihre Haube raschelte leise. »Der Priester ist unten und will der neuen Magistra seinen Segen erteilen. Soll ich ihn heraufbitten?«
    Pater Felix? War das ein Zeichen des Himmels? Eine Mahnung, ihre Pflicht zu tun? Sie konnte Ysée nicht schaden, aber den Schwestern des Weingartens nutzen. Wenn der Priester den Eindruck gewann, dass ihm die neue Magistra uneingeschränkt vertraute, würde das nur von Vorteil sein. Sie gab sich einen Ruck und traf endlich eine Entscheidung. »Ich werde seinen Segen in der Kirche empfangen, Schwester Marie. Ich möchte keinen Mann in diesen Räumen sehen, auch wenn er ein Diener Gottes ist. Sagt ihm, dass ich sofort komme.«
    Marie von Vyvern neigte kommentarlos das Haupt. Sie teilte Alainas Abneigung gegen die Männer. Die Lieblosigkeit, mit der ihr Vater sie und ihre Schwestern bereits im Kindesalter an Männer verlobt hatte, die alt und einflussreich waren, hatte dieses Gefühl geprägt. Dass ihr das Schicksal ihrer bedauernswerten Schwestern, die alle das erste Kindbett nicht überlebt hatten, erspart geblieben war, lag nur an dem Umstand, dass ihr erster Verlobter am Fieber verstorben und der zweite bei einem Turnier ums Leben gekommen war. Einem dritten Bräutigam war sie entgangen, weil ihr Vater die 14-jährige Tochter eines Waffengefährten zur Frau genommen hatte. Als seine älteste und unscheinbarste Tochter anlässlich seiner Hochzeit den Wunsch äußerte, zu den Beginen von Brügge zu gehen, hatte er sie erleichtert ziehen lassen. Schwester Marie kam es noch heute wie ein Wunder vor.
    Die meisten der frommen Frauen hatten ein ähnliches Schicksal. Sie waren Witwen, ungeliebte Töchter, unscheinbare Basen und Frauen, die den Mut hatten, ihr eigenes Leben zu wählen. Sie alle schätzten den Frieden und die Freiheit, die sie im Beginenhof gefunden hatten. Die Ereignisse der vergangenen Tage hatten sie tief beunruhigt. Sie setzten ihre ganzen Hoffnungen auf die Magistra, die ihre kostbare Freiheit gegenüber der Kirche, dem König und dem Magistrat von Brügge verteidigen sollte.
    Marie von Vyvern konnte nicht ahnen, dass die neue Magistra bereits vor ihrer ersten Bewährungsprobe stand. Nach Segen und Gebet in der Kirche folgte sie Pater Felix in die kleine Sakristei des Gotteshauses.
    »Wollt Ihr noch einmal beichten?«, fragte der Priester erstaunt, denn er hatte ihr erst vor der Wahl die Absolution erteilt. »Nein, ich bin im Besitz eines Gegenstandes, den ich keinen Augenblick länger im Weingarten dulden möchte, ehrwürdiger Vater. Bitte nehmt ihn an Euch.«
    Pater Felix ergriff das Päckchen und löste die Hülle. »Allmächtiger! Woher

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