Begraben
Mädchen traten Tränen in die Augen.
Der Forscher steckte ein Räucherstäbchen in eine Halterung und schob es ihr vor das Gesicht. Es war Miss Trans Lieblingsduft, der überall dort in der Luft hing, wo sie die Kinder an die Meistbietenden verkaufte. Die Kleine atmete den süßlichen Geruch ein, und die Tränen rannen über ihre Wangen. Währenddessen kartografierte Supachai genau die neuronalen Wege, die bei seiner Versuchsperson die Erinnerungen wachriefen.
Dann bereitete er den nächsten Schritt der Intervention vor, den schwierigsten. Er betätigte einen Hebel, und zwei große Lupen glitten vor seine Augen. Supachai tippte die Koordinaten in den Computer ein, der sie an den Kernspintomografen schickte. Auf allen drei Monitoren wurde jetzt das Gehirn des Mädchens in 3-D angezeigt. Fünf Zonen von wenigen Millimetern Durchmesser auf dem Kortex des Gehirns blinkten violett. Der Arzt drehte das Modell noch einmal und tippte: »Eingriff in C10, D4, E11 und A20.«
Er schickte die Daten an die Berechnungssoftware ab. Durch seine Lupen sah Supachai den Schädel seiner kleinen Patientin, überlagert von seinem virtuellen Modell. Durch den stereotaktischen Rahmen wurde der Kopf der Kleinen in derselben Stellung festgehalten, sodass die virtuelle und die reale Darstellung perfekt übereinstimmten. Der Computer zeichnete vier Markierungen auf den Schädel. Mit einem Rasiermesser legte der Neurochirurg an diesen vier Stellen – zwei im Stirnbereich und zwei über den Ohren – die Kopfhaut frei, dann tauschte er das Messer gegen eine Anästhesiespritze ein.
»Jetzt piekst es wieder, aber weniger als vorhin. Ich betäube die Haut.«
Die Kleine war durch die Beruhigungsmittel so benommen, das sie kaum etwas spürte. Als dann der freundliche Doktor wieder mit ihr sprach, bekam sie es allerdings mit der Angst zu tun.
»Wir machen jetzt vier winzige Löcher, du wirst nichts spüren.«
Supachai platzierte das Kraniotom, eine Art winzige Bohrmaschine, in die Mitte der kreuzförmigen Markierung und drückte auf die Pedale. Ein Geräusch wie das eines Zahnarztbohrers, dann der Geruch nach verbranntem Fleisch. In das zwei Millimeter große Loch im Knochen schob er eine Glasfaser von einem Millimeter Durchmesser bis zum Kortex. Dann bohrte er ein weiteres Loch und schob eine zweite Glasfaser hinein. Rama Supachai arbeitete konzentriert, seine Hände waren ruhig. Er beherrschte das, was er tat, perfekt.
Da das Gehirn schmerzunempfindlich ist, spürte das kleine Mädchen nichts und wusste nicht, dass vier Sonden in ihrem Schädel steckten. Supachai hatte ihr versprochen, dass sie wieder zu ihrer Mutter kommen würde, wenn sie die Operation über sich ergehen ließe. Also hatte sie sich nicht widersetzt. Der Neurochirurg überprüfte die exakte Platzierung der Sonden.
»Jetzt zeige ich dir noch einmal die Fotos, bist du bereit?«
»Ja«, antwortete das Mädchen mit schwacher Stimme.
Die Bilder erschienen erneut vor ihren Augen; der Kernspintomograf zeigte die aktiven Zonen des Gehirns, und das automatische Tracking-System in den Glasfasern peilte das zu zerstörende Neuronenpaket an. Supachai betätigte den Laser, und in wenigen Sekunden wurden die Nervenfasern, die die Erinnerung aktivierten, zerstört. Das intelligente System modulierte die Laserenergie entsprechend der vorherigen Berechnung so, dass eine unerwünschte Schädigung anderer Zonen verhindert wurde.
»Wie fühlst du dich?«
Keine Antwort.
Rama Supachai räusperte sich.
»Naruporn, wie fühlst du dich?«
Ein Schniefen.
Er projizierte das Foto von Miss Tran auf den Bildschirm.
»Weißt du, wer das ist?«
Erneutes Schniefen.
»Wie heißt du?«
Doch die Kleine antwortete nicht, ihr Blick war starr.
Er tippte etwas in seinen Computer und schien höchst unzufrieden.
*
Cyrille schüttelte sich und erhob sich auf die Knie. Sie war so verblüfft, als hätte sie ein Phantom gesehen. Julien ging es nicht besser.
»Er ist ein Monster«, murmelte er.
Cyrille warf ihm einen verzweifelten Blick zu.
»Er … er hat ihr Gehirn zerstört. Er ist wahnsinnig. Wir müssen verhindern, dass er noch mehr Schaden anrichtet – und zwar schnell!«
Um sich zu beruhigen, atmete sie tief durch.
»Lass uns überlegen …«
Julien biss die Zähne zusammen und nickte. Seine Handgelenke begannen zu jucken.
»Und du sagst, mit dir hätten sie dasselbe gemacht?«, fragte er mit tonloser Stimme.
Cyrille schloss die Augen und öffnete sie gleich wieder.
»Ja. Er behauptet,
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