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Begraben

Begraben

Titel: Begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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Julien kramte in den Taschen seiner Jeans und zog dann eine Zwanzig-Cent-Münze heraus. Nach einiger Anstrengung gelang es ihm, die kleine Klappe zu öffnen, die Einblick in die Halle gewährte.
    Sie streckten sich auf dem Dach aus und hoben vorsichtig die Abdeckung an. Durch ein metallenes Gitternetz sahen sie den Apparat. Es handelte sich um einen offenen Kernspintomografen, dessen hufeisenförmige Röhre in Echtzeit Eingriffe unter Sichtkontrolle ermöglicht, das Nonplusultra der Medizin. Cyrilles Herz krampfte sich zusammen. Ein kleines Mädchen im OP-Hemd lag auf dem Untersuchungstisch. Sein Haar war mit einer roten Flüssigkeit eingestrichen.
    Cyrille zog die Klappe etwas weiter auf. Der Raum enthielt alles, was zu einem modernen Operationssaal gehörte: eine Bedienungskonsole für den Kernspintomografen, zwei Monitore zu beiden Seiten des Apparats, Operationslampen, einen Vorbereitungstisch und eine OP-Bahre. Daneben erkannte sie alle für die Anästhesie nötigen Überwachungsgeräte sowie einen Defibrillator. Etwas weiter hinten stand unter einer Plastikhaube ein Gerät zur transkraniellen Magnetstimulation, wie sie es auch im Centre Dulac benutzte. Die OP-Ausstattung entsprach modernsten technologischen Anforderungen.
    Ein Mann mit OP-Kittel, Überschuhen und Mundschutz trat in ihr Blickfeld. Trotz seiner Haube erkannte sie mühelos, dass er kahlköpfig war. Der thailändische Forscher nahm am Kopfende der Liege Platz.
    *
    Um den Oberarm der Kleinen war die Manschette eines Blutdruckgeräts gelegt, an ihrer Brust waren Elektroden befestigt. Sie war ganz ruhig. Der Angstlöser, den man ihr verabreicht hatte, sorgte dafür, dass sie zwar bei Bewusstsein war, aber alles nur gedämpft wahrnahm. Der Mann hatte ihr versichert, die Operation sei schmerzlos, und das hatte sie beruhigt.
    »Mein Mädchen«, begann er und lächelte hinter seinem Mundschutz, »wie ich dir erklärt habe, vermessen wir jetzt zunächst ganz genau dein Gehirn. Dazu spanne ich deinen Kopf in einen Apparat, das kann an den Schläfen etwas drücken.«
    Er betätigte eine Fernbedienung, und entspannende Musik erfüllte den Raum. Dann desinfizierte er die Haut an der Stirn und an zwei Stellen am Hinterkopf.
    »Jetzt gebe ich dir zwei kleine Spritzen, das piekst vielleicht ein wenig.«
    Der Arzt injizierte das Betäubungsmittel, um die Haut unempfindlich zu machen. Dann spannte er den Stereotaxierahmen, ein dreidimensionales Ringsystem um ihren Kopf und fixierte ihn an beiden Schläfen und am Hinterkopf. Die Kleine schloss die Augen.
    Supachai gab die Daten in den Computer des Kernspins ein und startete die Vorbereitungsphase. Das Mädchen lag mit geschlossenen Augen und, ohne sich zu rühren, da, die Maschine arbeitete. Als die Software ihre Berechnungen abgeschlossen hatte, wurde das Gehirn dreidimensional auf den drei Monitoren angezeigt. Schweigend schob Rama eine DVD in das Lesegerät: ein Dutzend Fotos flimmerten über den Bildschirm. Sie zeigten das Mädchen vor der Entführung durch die Liga, stark geschminkt und in einem bonbonrosafarbenen Kleid auf einem Barhocker – eine traurige Puppe mit Stöckelschuhen. Auf anderen Aufnahmen war sie mit Kunden zu sehen …
    »Ich werde dich jetzt bitten, die Augen zu öffnen. Und mir zu helfen, einverstanden?«
    Die Kleine schlug die Lider auf.
    *
    Cyrille sah Julien an. Träumte sie? Sie konnte zwar nicht alles hören, aber sie hatte verstanden. Julien erwiderte ihren Blick und flüsterte:
    »Was macht er mit ihr?«
    »Ich glaube, er versucht, bestimmte Erinnerungen auszulöschen, indem er die neuronalen Wege versperrt, über die diese ins Gehirn gelangen. Das ist unglaublich.«
    *
    Supachai zoomte ein Foto heran: eine Freiluftbar in Ko Samui, in der Mädchen in Miniröcken an einer Stange tanzten.
    »Was ist das?«, fragte der Wissenschaftler.
    Das Mädchen sprach zum ersten Mal.
    »Die Bar von Miss Tran.«
    Supachai startete das Kernspinprogramm. Das Kind starrte auf das Bild ihres ehemaligen Arbeitsplatzes mit den anderen Mädchen. Ihr Gehirn arbeitete. Supachai konzentrierte sich auf die 3-D-Darstellung, die zeigte, dass verschiedene Zonen im Temporallappen eine starke Aktivität entwickelten. Er notierte die Koordinaten.
    Auf der folgenden Aufnahme war das Innere eines Massagesalons zu sehen. Die Miene der Kleinen verfinsterte sich. Der Arzt zoomte den Frontalkortex heran und nahm die Koordinaten der aktiven Zonen auf. Dann folgten mehrere Aufnahmen von pädophilen Aktivitäten, und dem

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