Begraben
Kauderwelsch zu bedeuten?«, fragte Nino.
»Keine Ahnung«, erwiderte Tony, »doch der letzte Satz ist klar. Wir sollen die Polizei verständigen.«
»Wie denn?«
»Am besten informieren wir die französische Botschaft in Bangkok«, meinte Marie-Jeanne und richtete sich auf. »Ich rufe dort an, wenn ihr wollt.«
»Was willst du denen denn erzählen?«, erkundigte sich Tony.
Entschlossen reckte die junge Frau ihr Kinn vor.
»Da wird mir schon was einfallen.«
*
Rama Supachai konnte nicht sagen, wie lange er bewusstlos gewesen war. Plötzlich flammte die OP-Lampe über ihm auf. Geblendet blinzelte er. Ein ihm unbekanntes Gesicht schob sich zwischen ihn und die Lampe. Ein Mann.
»Damit wir uns recht verstehen«, sagte der Mann, »alles auf dieser Insel schläft. Draußen tobt ein Sturm. Du kannst schreien, so viel du willst, keiner wird dich hören. Besser, du kooperierst. Kapiert?«
Der Wissenschaftler nickte. Er befand sich mitten in einem Albtraum. Er hörte, wie der Mann an irgendetwas über seinem Kopf herumhantierte. Und plötzlich sah er zehn Zentimeter von seinen Augen entfernt das Kraniotom.
»Das ist doch die Maschine, mit der du den Kindern Löcher in den Kopf bohrst, oder?«, fragte der Mann.
Gleich darauf vernahm der Wissenschaftler das Surren des Bohrers, das ihm durch Mark und Bein ging.
»Ich werde nun das Klebeband von deinem Mund entfernen«, sagte die Stimme. »Doch wenn du schreien solltest, werde ich nicht zögern, dir Schmerzen zuzufügen. Das kannst du mir glauben.«
Cyrille lehnte im Hintergrund an der Tür des Labors. Zugleich fasziniert und entsetzt, beobachtete sie Julien. Sein Blick war unschuldig und doch grausam. Sie ließ Supachai nicht aus den Augen, der einem übertölpelten Fisch glich, der ihnen ins Netz gegangen war. Julien betätigte den Fußhebel des OP-Stuhls, der ein paar Zentimeter nach oben fuhr. Die Spitze des Bohrers befand sich nun direkt über Supachais rechtem Auge. Julien schaltete das Kraniotom ein, und das schrille, unerträgliche Geräusch ertönte erneut. Adrenalin schoss durch Rama. Er spürte, wie eine warme Flüssigkeit an seinem Hosenbein hinabrann.
»Wie schon gesagt«, fuhr Julien fort, »du bist ein Geisteskranker, ein gefährlicher Irrer, der Kinder foltert. Wenn du in den kommenden Minuten sterben solltest, werden weder ich noch Doktor Blake eine Träne vergießen. Aber ich kann dich am Leben lassen, in der Hoffnung, dass du eines Tages deine gerechte Strafe bekommst. Wenn du redest, erhältst du diese Chance.«
Supachai war vor Angst wie gelähmt. Dieser Typ war ein Wahnsinniger.
Cyrille trat näher, ihre Silhouette zeichnete sich im Lichtschein ab.
»Glauben Sie ihm, Professor. Er ist einer meiner Patienten. Wenn Sie ihn wütend machen, kann ich für nichts garantieren.«
Der Wissenschaftler warf ihr einen flehenden Blick zu. Mit verschränkten Armen stand sie vor ihm.
»Mein Mann arbeitet mit Ihnen, nicht wahr?«
Supachai nickte.
»Was macht er für Sie?«
»Er … hilft mir, eine neue Behandlungsmethode zu entwickeln.«
»Wie sieht die aus?«
»Ein Molekül mit der Wirkung eines Lasers.«
»Was bekommt er dafür?«
»Geld.«
»Viel?«
»Ja, sehr viel …«
»Woher kommt dieses Geld?«
Cyrilles Stimme klang mechanisch und abgehackt.
Supachai antwortete nicht. Julien schaltete das Kraniotom ein. Supachai sah, wie die Spitze knapp oberhalb seiner Pupille anfing sich zu drehen.
»Stopp, aufhören, ich werde Ihnen alles sagen!«
»Das würde ich dir auch dringend raten, denn mit nur einem Auge sieht man verdammt wenig durchs Mikroskop …«
Cyrille musste ein Grinsen unterdrücken und fuhr fort:
»Woher stammt dieses Geld? Wer finanziert Ihre Forschung, Ihr Material?«
Rama gab auf.
»Mein Cousin Pot.«
»Womit verdient er sein Geld?«
»Er beschafft … die Kinder.«
»Ein bisschen genauer«, befahl Julien, der ungeduldig wurde. »Woher kommen diese Kinder?«
»Von der Straße, von Ko Samui, von Ko Tao und aus Phuket.«
»Werden sie verschleppt?«
»Ja. Die Männer der Liga nehmen sie einfach mit und bringen sie hierher.«
»Und Sie unterziehen sie Ihrer Behandlung?«
»Ja.«
»Seit wann?«
»Seit sieben Jahren.«
»Und wenn die Behandlung erfolgreich war?«
»Die Kinder vergessen ihr früheres Leben auf der Straße und werden willig und gefügig.«
»Was geschieht dann mit ihnen?«
»Pot bringt sie in Familien unter.«
»Wozu?«
»Sie werden adoptiert oder sie arbeiten.«
»Die Mädchen auch?«
»Man
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