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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Alles geklärt.«
»Da du dich zu so vielem nicht äußern willst – wie wäre es mit
einer Frage von prinzipieller Natur?«
Er sah mich düster an. »Woran denkst du?«
»Du symbolisierst in gewisser Weise eine Art Umbruch –
einige werden es den Beginn des Verfalls nennen – innerhalb
der Arbeiterbewegung. In den Fünfzigern und Sechzigern warst
du eine zentrale Figur unter den jungen Vielversprechenden.
Stellvertretendes Parlamentsmitglied, an zentraler Stelle in der
Osloer Arbeiderpartiet, zu Beginn der sechziger Jahre häufig als
Anwärter für verschiedene Staatsratsposten genannt. In den
siebziger Jahren hast du neue Partner gesucht, warst möglicherweise durch die Annäherung des linken Flügels an die AKP
politisch aus dem Fahrwasser geraten? Plötzlich befandest du
dich auf der anderen Seite des Tisches. Jetzt warst du es, mit
dem sie verhandeln mußten, deine alten Kameraden aus der
Gewerkschaft. Jetzt warst du es, der freistellte und entließ,
während du die ganze Zeit neue Überschüsse in die eigene
Tasche stecktest. Während das Torggata-Bad geschlossen
wurde, hast du im Whirlpool auf Nesoddtangen gesessen wie ein
König Midas mit dem richtigen Parteibuch. Hast du nie zurückgeschaut, Finstad? Hast du dich nie im Spiegel gesehen?«
»Die Welt sieht heute anders aus als 1960, Veum.«
»Ja, danke – und wer ist schuld daran? Bin ich der einzige, der
davon ausgeht, daß der 1. Mai in ein paar Jahren auf einen
Feiertag für Bankenchefs und Versicherungsdirektoren reduziert
sein wird, die dagegen protestieren, daß sie einen zu kleinen
Fallschirm bekommen haben? Was ist aus den hehren Gedanken
der Arbeiterbewegung der dreißiger Jahre geworden? Sind sie
alle als Rückzahlung für den Marshallplan draufgegangen? Ist es
das, wofür wir immer noch bezahlen?«
»Du wirst pathetisch, Veum.«
»Wenn das so ist, dann bin ich jedenfalls nicht allein.«
»Besonders wenn du nach Ullersmo mußt, um deine politischen Frustrationen vor jemandem auszubreiten, der keinen
Einfluß mehr hat.«
»Stimmt, genau. Denn du bist ausgestiegen. Nicht 1987, als du
Pål Helge Solbakken tötetest. Nein, lange vorher. Du bist von
Vålerenga zu ihren Gegnern von Lyn übergelaufen und bist,
man sollte es kaum glauben, auch mit ihnen baden gegangen.
Aber du bist es, der hier sitzt und die Rechnung bezahlt – für all
die anderen.«
»Für wen denn?«
»Das wüßte ich auch gern, Finstad.«
Ich hielt vier Finger vor sein Gesicht. Mit dem Zeigefinger der
anderen Hand knickte ich einen davon um. »Fredrik Loewe kam
1988 bei einem Autounfall ums Leben.« – Der nächste Finger. –
»Pär Elias Jansson wurde am letzten Donnerstag aus dem
neunzehnten Stock des Oslo Plaza geworfen.« – Und der dritte.
– »Preben Backer-Steenberg starb am Samstag.«
Der vierte Finger blieb übrig. »Jetzt bist du der einzige,
Finstad. Wenn ich du wäre, würde ich mein Essen von jetzt an
vorkosten lassen. Und ich würde verdammt vorsichtig entscheiden, was ich täte und wohin ich ginge, wenn ich auf Hafturlaub
wäre.«
41
    Direkt vor Kløfta liegt eine der größten Raststätten des Landes.
Den Farben der Einrichtung und der Effektivität hinter dem
Tresen nach zu urteilen, hätte sie in Dallas, Texas, liegen können. Um keinen Stilbruch zu begehen, bestellte ich Rührei mit
Schinken, Kaffee und Schmalzringe.
    Der Serviererin in der orangefarbenen Uniform fehlten die
Rollschuhe, aber abgesehen davon hätten die Geschwindigkeit,
mit der sie das Essen vor mich auf den Tisch stellte, und das
Lächeln von einem Ohr zum anderen, mit dem sie es servierte,
ganz dem Geschmack eines jeden entsprochen, der Norwegen
als den 51. Bundesstaat betrachtet.
    Ich hatte meinen Atlas vom Automobilclub mitgenommen.
Svein Grorud besaß eine Hütte am Øyeren, wo er, den Quellen
nach, an freien Wochenenden auf Hechtjagd ging und in der
Bikinisaison auf Häschenjagd. Sollte ich es riskieren, ihm einen
kurzen Besuch abzustatten, für den Fall, daß er sich dort
aufhielt? Würde er das zu schätzen wissen, oder erwartete er
mich mit dem Schrotgewehr im Anschlag? Sollte ich für alle
Fälle die Gebirgsregel befolgen und Bescheid geben, wohin ich
fuhr?
Nachdem ich gegessen hatte, entschloß ich mich, einen Versuch zu wagen.
Ich war in Nod, der Gegend östlich der Østmark, in einer Art
geographischem Niemandsland. Die Landschaft ähnelte zum
Verwechseln der, die man direkt hinter der schwedischen Grenze vorfindet: weite,

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