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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Ellinggård teilgenommen und war ein gefundenes Fressen für
einen frisch bekehrten Sozialisten aus Bergen. Durch ihn traf ich
Merete. Aber das war erst im April, im Jahr darauf.
In jenem Monat bombardierten die Amerikaner Nord-Vietnam
mit Napalmbomben. An einem Samstag, nach einer dramatischen Demonstration vor der amerikanischen Botschaft im
Drammensvei, einer Demonstration, die am Ende von berittener
Polizei auseinandergetrieben wurde, sammelten wir uns in der
Dovrehalle, wo ein Philosophiestudent mit kurzem, glattem
Haar und einer großen Hornbrille ein flammendes Plädoyer
gegen die amerikanische Kriegsführung hielt. Wir befanden uns
mitten im Umbruch. Die fünfziger Jahre waren endgültig vorbei.
Wir wußten es noch nicht, und die Siebziger waren im Anmarsch. Und auf allen Feten dieses Frühlings sang Bob Dylan
vom Plattenspieler: The times they are a-chanqin’ …
Bei einem Nachspiel in dieser Nacht, in einer abrißreifen
Bruchbude irgendwo bei Bislett, lud mich Svend für den
nächsten Tag zum Dinner ein. – Dinner, was ist das? fragte ich.
– Ich habe auch zwei Mädchen eingeladen … Oslo hatte einen
langen und nassen Winter hinter sich, und Nässe ist in dieser
Stadt nicht das gleiche wie in Bergen. In Oslo erreicht die Nässe
deine Knie, gefriert gegen Morgen und bleibt wie große graubraune Trauerränder auf allen Bürgersteigen bis weit in den
April und März hinein. Sie hängt wie lauer Zigarrenrauch von
längst entschwundenen Herrenabenden über dem Hafen und
dem Zentrumskessel, und man hustet sich durch die dunkelsten
Monate, als leide man an einem chronischen Stimmbandkatarrh.
Aber dann kann es für viele Tage aufklaren. Dann scheint die
Sonne wie durch geschliffenes Kristall, und in der Nordmark
führen die Skispuren wie Pflugrinnen bis in die Ewigkeit, an
langen, mit frischgestärkten weißen Decken gedeckten Tischen
vorbei.
Am 14. Februar wurde Per Ivar Moe im Bislettstadion Weltmeister im Schlittschuhlauf. Über viel mehr hatte Oslo in jenem
Winter nicht zu jubeln.
Im März hatte ich beschlossen, nach Hause zu fahren. Im April
traf ich Merete.
Der Tisch in Frogner war wie zu einer Silberhochzeit gedeckt.
Svend empfing mich in der Halle, in dunklem Anzug, Hemd
und Schlips.
Ich hängte meinen Parka auf und betrachtete mein kariertes
Flanellhemd und die schwarze Cordhose; dazu murmelte ich:
»Ich bin wohl nicht richtig angezogen.«
»Du bist, der du bist!« lächelte Svend hingerissen, und ich
begann zu ahnen, daß er bei dieser Einladung möglicherweise
Hintergedanken hatte.
Er führte mich die dunkelbraune Treppe hinauf – die Wände
geschmückt von Lithographien von Munch –, vorbei an Porzellan und Kristall, auf ein Parkett, glatter als das, das Per Ivar Moe
besiegt hatte, durch vierzehn Räume ins Eßzimmer, wo er die
Arme ausbreitete wie ein Zirkusdirektor und sagte: »Und hier
haben wir unseren Kommunisten!«
Die beiden Damen kicherten begeistert hinter glitzernden
Gläsern auf hohen Stielen, aber da sie in den besten Kreisen
aufgewachsen waren, erhoben sie sich beide und gaben mir zur
Begrüßung die Hand: lange weiße Hände, schmal wie Dessertlöffel.
Aus versteckten Lautsprechern sang Frank Sinatra Nice work if
you can get it, während ich die Damen begrüßte.
Die eine war dunkelhaarig, trug Blau und hieß Aud.
Die andere war rothaarig, trug Grün und hieß Merete.
Beide trugen sie enge, schmale Seidenkleider und Frisuren mit
hohem Scheitel, schrägem Pony und Innenwelle auf den
Schultern.
Sie waren viel menschlicher, als ich erwartet hatte, besonders
als sie fertig gekichert hatten.
»Die Fossilien sind in Frankfurt, wir haben das Haus also für
uns!« sprach Svend, während man mit dem Neuankömmling
anstieß – und auf ihn trank.
Wir gingen zu Tisch. Ich tastete mich bis zur äußersten Gabel
vor und machte mich über den Krabbensalat her, der schon auf
dem Tisch stand. Um mich herum nippte man am Weißwein. Ich
drehte das Glas auf den Kopf – und bekam sofort neu eingeschenkt.
Aud und Svend waren draußen und holten das Hauptgericht,
während ich so gebildet ich konnte mit Merete Konversation
trieb. »Zu Hause in Bergen, in Kalfaret, stößt man dreimal an
bei Gelegenheiten wie dieser. Auf den König, die Stadt und das
Vaterland. Hier begnügt man sich mit König und Vaterland,
hab’ ich recht?«
Sie kamen zurück mit etwas, das wohl geräucherter Schweinekamm sein mußte, gefolgt von Rosenkohl und Tomatensoße,
Kartoffeln und

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