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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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sonst immer.«
    Aber ich sah ihr an, daß sie mir nicht glaubte. Also zog ich
eine Visitenkarte und einen Kugelschreiber aus der Jackentasche. Während ich schrieb, sagte ich: »Ich bleibe ein oder zwei
Tage in diesem Hotel. Sollte ihr einfallen, daß sie mich doch
wiedererkannt hat … Könntest du so nett sein und ihr das geben,
wenn sie wieder herauskommt?«
    Sie nahm die Visitenkarte, las und sah mit einem humorvollen
Funkeln in den Augen wieder zu mir auf. »Verteilst du die an
alle, die – wollen?«
    »Ja? Bist du interessiert?«
»Veum!« zischte Vassenden hinter mir.
Ich griff nochmals in die Tasche, aber sie schüttelte leicht den
Kopf. »Spar sie dir für eine andere Gelegenheit. Ich kann von
dieser hier abschreiben.«
    Mit einem schrägen Blick auf sie, als sei in dem, was sie
gesagt hatte, ein ironischer Unterton gewesen, den ich noch
nicht ganz verstanden hätte, folgte ich Vassendens Aufforderung
und ließ mich zur Tür ziehen.
    »Dann auf Wiedersehen!« sagte ich zu Marit.
Sie lächelte nur schief, ohne etwas zu versprechen.
    Als wir draußen auf dem Bürgersteig waren, trocknete Mons
Vassenden sich die Stirn mit einem sehr gebrauchten Taschentuch. »Was zum Teufel sollte das, Veum?«
»Aber es ist wahr! Ich habe sie wiedererkannt.«
     
»Das ist schon möglich. Aber ich bezahle dir verdammt noch
mal kein Honorar für – Rendezvous mit alten Flammen!«
Ich hob die Augenbrauen. »Und mit wem bin ich hierhergekommen?«
     
»Du hättest kommen sollen, als ich dich rief. Das k-kann nur
    Ärger geben!«
»Ärger?« Ich seufzte schwer. »Bist du nun dein Geld los oder
nicht?«
»Njaaa.«
»Hast du deinen Schuldschein wieder?«
»Ja.«
»Bist du ohne bleibenden Schaden wieder rausgekommen?«
»So weit – so gut. Aber du mußt bleiben, bis der Zug fährt!«
Er sah an der Fassade hinauf. »Ich will nichts riskieren, falls
sie plötzlich ihre Meinung ändern.«
    Drei pakistanische Frauen und ein kleines Mädchen kamen auf
uns zu. In den langen weiß-blauen Kleidern und mit dem bedeckten Haar erinnerten sie an Nonnen. Sie trugen Einkaufsnetze mit aufgestickten Perlenmustern, aus denen Porreestangen
ragten, und unterhielten sich lebhaft. Als sie an uns vorbeigingen, sahen sie stumm zu Boden. Sobald sie vorbei waren, ging
die Unterhaltung weiter.
»Wann hast du vor zu fahren?«
     
»Wenn ich einen Platz kriege, nehme ich schon den Tagzug,
um halb elf.«
    »Dann schaffen wir ein schnelles Frühstück. Wenn wir es uns
leisten können.«
»Ich brauche erst eine Platzkarte.«
»Dann essen wir am Bahnhof.«
Wir machten uns also auf den langen Marsch, über Grønlandsleiret, Tøyenbekken und Schweigaardsgate und schließlich
durch die Galerie Oslo, wo jetzt nichts als Luftschlösser
ausgestellt waren, und sogar die gab es im Sonderangebot.
Wir kamen an der Vorderseite heraus, wichen der Verkehrsmaschinerie aus und suchten Zuflucht am Hauptbahnhof.
Vassenden bekam seine Platzkarte, und wir kletterten zur
Terrassencafeteria hinauf.
Als wir in der Schlange vor dem Tresen standen, fragte Vassenden: »Ist es in Ordnung, wenn ich dir dein Honorar gebe,
wenn du wieder nach Bergen kommst?«
Ich nickte und sah auf sein Tablett hinunter. Er hatte nichts als
eine Tasse schwarzen Kaffee darauf gestellt. »Hast du nicht mal
Geld für was zu essen?«
Er senkte den Blick. »Nein.«
»Dann geb’ ich dir was aus! Nimm dir ein paar Brötchen. Ich
setz’ es dann eben auf die Rechnung.«
Er sah dankbar zu mir auf und bediente sich sofort mit vier
halben Brötchen und einem Glas Milch. Ich selbst begnügte
mich mit zweien, dazu Milch und Kaffee.
»W-was studiert denn dein Sohn hier?« fragte er, als wir uns
an einem Tisch am Rande des Abgrunds niedergelassen hatten,
mit Aussicht über die ganze Halle.
»Sprach- und Literaturwissenschaft.«
»A-aber hätte er das nicht in Bergen tun können?«
»Er lernte beim Interrail ein Mädchen kennen und beschloß,
daß es Oslo sein müßte.«
»Hmff.«
»Ich habe eine Wette laufen, daß er sich irrt. Chance zwanzig
zu eins.«
Mitten in das Frühstück hinein kam die Meldung über den
Lautsprecher, daß der Zug auf Gleis 3 bereitstehe. Als wir fertig
waren, begleitete ich ihn dorthin. Er sah sich ängstlich um, als
wir die Halle durchquerten, aber nichts deutete darauf hin, daß
uns jemand folgte.
Unten auf dem Bahnsteig sagte er: »Kommst du mit rein?«
Ich brachte ihn hinein. Es war ein langes, offenes Abteil, das
einzige im Zug für Raucher und vorläufig

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