Begrabene Hunde schlafen nicht
ein Dopingkontrolleur mit dem Fuß in der Tür zur ersten
Nationalmannschaftsversammlung des Jahres. »Høie? Wen darf
ich melden?«
»Mein Name ist Veum.«
»Einen Augenblick, Herr Veum.«
Gleich darauf war sie wieder in der Leitung. »Nur einen
Augenblick, er kommt gleich.«
»Wo, bitte?«
Aber sie hatte mich schon auf Warten geschaltet. Eine höchst
monotone Version von An die Freude erfüllte meine Ohren, bis
sie schließlich von einer Männerstimme unterbrochen wurde,
die die Sendung mit einer Sondermeldung unterbrach: »Hier ist
Høie.«
»Ja, hallo!! Hier ist Varg – erinnerst …«
»Wie war der Name?« Die Stimme war dunkler, als ich sie in
Erinnerung hatte, ein oder zwei Tonarten heruntergedrückt von
der Last der Zeit, worin auch immer die bestanden hatte, aber
ich erkannte sie wieder. Er war es.
»Varg Veum. Wir kannten uns so um 1964, und ich wür …«
»Varg, sagst du? – Doch, irgendwie klingt …«
»Wir waren öfter zusammen aus. Einmal war ich bei dir zu
Hause und …«
»Ja, tut mir leid, aber ich bin ziemlich unter Zeitdruck, wolltest du etwas Bestimmtes?«
»Wir haben zu Abend gegessen, du und ich, ein Mädchen
namens Aud und eine, die …«
»Aud? Redest du von Aud Bleken?«
»Ich weiß ihren Nachnamen nicht mehr genau, aber …«
»Weil, wenn du glaubst, ich wüßte nur das geringste über …«
»Die andere hieß Merete.«
»Merete Sjøwold?«
»Waren sie Freundinnen?«
»Aud und Merete. Jaja … Ach, du warst das! Jetzt erinnere ich
mich. Der Bolschewist aus Bergen – nannten wir dich.«
»Genau, und jetzt habe ich Merete wiedergetroffen, aber ich
würde gerne wissen …«
»Merete Sjøwold? Ich dachte, sie sei in Schweden. Ich meine
mich jedenfalls zu erinnern, daß sie – aber ich kann mich
natürlich irren.«
»Diese Aud. Wenn sie immer noch befreundet sind, dann …«
»Als ich zuletzt von Aud Bleken hörte, arbeitete sie als Fotomodell in London. Aber das ist viele Jahre her.«
»In London?«
»Bolsch … Und wie geht es der Weltrevolution? Der Diktatur
des Proletariats?«
»Ich war nie ein Anhä …«
»Nein, das sagt ihr jetzt ja alle, hinterher. Aber ich muß auflegen, Va … Veum. War nett, mit dir zu quatschen. Ruf mal
wieder an, so in siebenundzwanzig Jahren.«
»Ich …«
»Ciao!«
Diesmal ertönte kein An die Freude. Jetzt hörte ich nur die
Symphonie der Telekom, mit Rauschen von der Galerie.
Ich legte auf, griff nach meinem Notizbuch und notierte:
Merete Sjøwold. (Aud Bleken.)
Dann klingelte das Telefon. »Hallo?«
Der Anruf kam aus einer Telefonzelle. Es piepte wie aus
einem Kükenbrutkasten, und ich hörte erst eine, dann eine
zweite Münze fallen. »Hallo? Ist da – Veum?« Es war eine
Frauenstimme.
»Ja? Wer …?«
»Hier ist Marit.«
»Marit?«
»Du kennst mich. Ich hab’ im Vorzimmer von Grorud gesessen.«
»Ja, hallo!«
»Ich habe schon mal versucht, dich anzurufen, aber es war
besetzt.«
»Ja, ich habe mit …«
Es klopfte hart an der Tür.
»Einen Moment mal. Es hat hier geklopft.«
»Warte! Mach nicht auf!«
»Was? Aber …«
»Es ist Grorud!«
Es klopfte wieder, diesmal noch härter.
Ich dämpfte automatisch die Stimme. »Grorud, aber was will
…«
»Ich weiß nur, daß du nicht aufmachen solltest!«
Ich sah zur Tür, dann zum Fenster.
»Veum!« ertönte es von der anderen Seite der Tür. »Mach auf!
Ich weiß, daß du da drin bist!«
Ich sagte leise: »Hör zu, können wir uns irgendwo treffen? Ich
muß mehr wissen!«
»In der Kaffistova, das ist an der Ecke …«
»Ja, ich weiß, wo das ist. Geh dorthin. Bis gleich!«
»Aber – sei vorsichtig!«
Ich legte auf und wandte mich zur Tür.
Er schlug jetzt mit der Faust dagegen; das Holz knackte bereits. » Veum! «
Ich antwortete nicht, sondern schlich zum Fenster und öffnete
es. »Was für ein beschisssener Zimmerservice«, murmelte ich.
Es hallte jetzt im Zimmer, als würde er jeden Moment durch die
Tür brechen.
Ich kletterte auf die Fensterbank, setzte einen Fuß auf das
schmale Gesims und stieg hinaus. Ein süßer Sog durchströmte
mich, von den Leisten bis zum Hinterkopf. Pudding in den
Knien, preßte ich mich an die Wand und tastete mich nach links,
zur Feuerleiter.
Aus dem Zimmer ertönte ein kräftiger Knall. Es war der
Türrahmen, der brach. Die Tür schlug krachend gegen die
Wand, und aus dem Augenwinkel sah ich Svein Grorud die
Öffnung füllen.
Dann trippelte ich über das Gesims wie eine Ballerina, die sich
unfreiwillig auf einer viel zu glatten Bühne
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