Begrabene Hunde schlafen nicht
Sightseeing-Tempo durch den Markvei und schaltete die Dachleuchte ein. Der Fahrer hatte einen
Ellbogen aus dem heruntergekurbelten Fenster hängen und sah
schräg nach oben, als wartete er auf heimliche Funksignale aus
dem All.
Ich gab ihm ein leichter deutbares Zeichen. Er fuhr an die
Bordsteinkante und öffnete die Tür zum Rücksitz. Ich sprang
hinein und schlug die Tür hinter mir zu. »Fahr los, zur Hölle!«
Er gab Gas und fuhr die Straße hinunter. »Das liegt außerhalb
der Zahlgrenze«, sagte er trocken. »Wieviel wolltest du bieten?«
Er hatte einen kräftigen Stiernacken mit roten Flecken, war
rundherum unrasiert und hatte ein blasses Blaulicht im Blick.
Unter der graugrünen Taxifahrermütze lugten ein paar dünne,
hellbraune Haarsträhnen hervor.
»Einmal einfach nach Hovseter«, erwiderte ich und nannte
ihm die Adresse von Marit Johansen.
Ich sah auf die Uhr. Fünf nach zwölf. Ich hoffte, daß sie in der
Zwischenzeit nach Hause gekommen war.
Ich drehte mich um und sah durch die Heckscheibe. Nichts
deutete darauf hin, daß wir verfolgt wurden.
»Ich dachte, ich sollte zur Hölle fahren«, murmelte der Fahrer
und bog am Olaf Ryes Plass links ab. »Wenn das so ist, muß ich
in der Sonntagsschule irgend etwas mißverstanden haben, denn
du benimmst dich, als sei dir der Teufel auf den Fersen.«
»Weißt du nicht, daß er das immer so macht? Wie der Hirte,
der am Abend seine Schafe eintreibt.«
»Bei den Methodisten haben wir nur vom guten Hirten gehört.«
»Es gibt auch einen von der anderen Seite, leider.«
Wir ließen die Theologie ruhen. Der Fahrer konzentrierte sich
darauf, die Stadt in einem effektiven Bogen zu durchqueren, in
Richtung Majorstuen und auf den Sørkendalsvei. Wir fuhren an
Vestre Gravlund vorbei mit einer Geschwindigkeit, als habe er
Angst, die Toten könnten trampend am Straßenrand stehen,
bogen bei der Kaserne rechts ab und rasten an der Blindenschule
in Huseby vorbei, als würde er sein Augenlicht riskieren, wenn
er zu lange dort bliebe.
Als wir schräg vor dem Hochhaus, in dem Marit Johansen
wohnte, hielten, beugte ich mich über seine Sitzlehne nach vorn
und sagte: »Ich seh’ nur schnell nach, ob jemand zu Hause ist.
Warte hier.«
Er sah mich skeptisch an. »Keine Fisimatenten?«
»Auf der Hut zu sein, hast du bei den Methodisten auch gelernt? Keine Sorge.«
Ich stieg aus dem Taxi und ging auf den Hauseingang zu. Auf
der anderen Seite der Einfahrt lag ein Gebäude mit einem
Supermarkt und so etwas wie einem Jugendclub.
Die Haustür war verschlossen. Während ich auf die Klingel
drückte, blickte ich mich schnell um. Hinten an der Ecke bei
dem Geschäft bewegte sich etwas, dann war es weg.
Einen Augenblick stutzte ich.
Niemand war uns gefolgt, dessen war ich mir sicher. Hatte
Svein Grorud etwa von allein hierhergefunden, oder …
»Hallo?« krächzte es aus dem Lautsprecher neben den Klingelknöpfen.
… war es vielleicht gar nichts?
Ich zögerte einen Augenblick. War es gefährlich für sie, wenn
ich mich zu erkennen gab? Zog ich sie mit hinein, in was auch
immer?
»Hallo?« kam es noch einmal, etwas irritierter diesmal.
»Ja, äh. Hier ist – Varg. Ist noch Platz in der Herberge?«
Jetzt war es an ihr zu zögern. »Na gut. Komm rauf.«
»Warte einen Moment. Ich muß noch den Taxifahrer
bezahlen.«
Als ich zu dem Fahrer zurückging, der ungeduldig auf seinen
Ablaß wartete, sah ich wieder zur Hausecke auf der anderen
Seite der Einfahrt.
Ich konnte nichts entdecken.
Vielleicht war es nur Einbildung gewesen. Vielleicht war es
nur meine Stimmung, die mir einen Streich spielte.
Nachdem das Taxi abgefahren war, blieb ich stehen und
lauschte. Alles war still. Die Schatten waren leblos. Es schien
keinen Grund zu geben, sich zu ängstigen.
Ich ging zurück zum Hauseingang, klingelte wieder, und das
Türschloß summte.
Sie stand in der Tür und wartete, als ich aus dem Fahrstuhl
stieg. »Wo bleibst du denn so lange?«
»Ich? – Och, es war gar nichts. War ein ereignisreicher Tag.«
»Das glaub’ ich dir.« Ihre Stimme war matt und tonlos.
Sie ließ mich herein. Hinter der Tür blieb ich stehen und sah
sie an, etwas ratlos.
Sie trug einen blauen Morgenrock. Heraus schauten der Kragen und die weiten Beine eines limonenfarbenen Seidenpyjamas.
»Hast du geschlafen?«
Sie strich sich mit der Hand durchs Haar. »Noch nicht.« Sie
wies zum Wohnzimmer.
Wir gingen hinein.
»Willst du etwas trinken? Eine Tasse Tee, ein Glas Bier, was
Stärkeres?«
»Was
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