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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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sie.«
»Was?!«
»Aber ich hab’ mich versteckt.«
»Und wo?«
»Unter dem Bett.«
»Unter dem Bett?«
Ich sagte schnell: »Aber ich wurde entdeckt. Ich mußte niesen.«
»Und was passierte dann?«
»Ich kam raus. Sie waren, äh, beschäftigt.«
»Aber – haben sie dich gesehen? Ich meine, haben sie dich
wiedererkannt?«
»Ja, leider.«
Sie sah zum Fenster. »Aber dann – glaubst du, sie können
rauskriegen, wo du wohnst?«
»Dann müßten sie mir gefolgt sein. Und das sind sie nicht.«
Ein Schaudern durchfuhr ihren Körper, und sie erhob sich, so
daß das Haar um ihren Kopf tanzte. »Ich glaube, ich muß ins
Bett.« Sie kam um den Tisch herum, beugte sich über mich und
küßte mich schnell auf die Wange. »Gute Nacht, Varg.«
Ich strich ihr über den Oberarm, als sie sich wieder aufrichtete.
»Gute Nacht.«
Mit langen Schritten ging sie zur Tür. In der Öffnung drehte
sie sich halb herum und stand da als schlanke Silhouette gegen
die Straßenbeleuchtung. Sie sah suchend ins Zimmer, als wüßte
sie nicht mehr genau, wo ich saß oder wer ich war. »Soll ich
dich wecken?«
»Ja, bitte. Ich habe viel herauszufinden.«
»Dann schlaf gut.«
»Schlaf gut.«
Etwas versuchte ich herauszufinden, während ich in kleinen
Schlucken den letzten Rest des Drinks nahm, aber ich kam nicht
weiter als bis zu all den Fragen.
Was war Merete Sjøwold-Loewe-Haugers Geheimnis? Hatte
sie etwas zu verbergen? Warum hatte die Mutter gesagt, sie sei
tot? Ahnte sie, daß ihre Tochter lebte, wenn sie es überhaupt
war?
War es Preben Backer-Steenberg, den Axel Hauger zusammen
mit Asbjørn Hellesø getroffen hatte? Warum schuldete er ihm
Geld, und was konnte ihm beim Oslo-Marathon passieren, wenn
er nicht bezahlte?
Wer hatte P. E. Jansson aus dem neunzehnten Stock des Oslo
Plaza geschmissen, und wo war Svein Grorud? Ich saß da und
betrachtete das Foto. Drei der Personen waren identifiziert. Aber
wer war die vierte? Und was passierte darauf eigentlich? Hatte
Pål Helge Solbakken das Foto gesehen? Und wenn ja, war das
der Grund für seinen Tod? Und wer saß als sein Mörder in
Ullernsmo?
Und Mons Vassenden? Hatte er sich tatsächlich umgebracht,
oder war es Mord gewesen?
Pål Helge Solbakken, P. E. Jansson und Mons Vassenden.
Drei Tote. Gab es einen gemeinsamen Nenner, irgendeine
Übereinstimmung? Nicht, soweit ich sehen konnte. Noch nicht.
Ich leerte das Glas, ging in die Küche und spülte es aus. Auf
dem Weg zurück fiel mein Blick auf das Telefon. Ich sah auf die
Uhr. Halb zwei. Einer plötzlichen Eingebung folgend, wählte
ich Svein Groruds Privatnummer.
Ich ließ es so lange klingeln, bis ich ganz sicher war, daß
niemand abnehmen würde.
Bevor ich mich hinlegte, stand ich eine Weile vor dem großen
Fenster und sah hinaus.
Der Himmel hatte alle Poren geschlossen.
22
    Sie weckte mich am nächsten Morgen, indem sie heftig an den
Türrahmen klopfte, den Kopf hereinstreckte und das Frühstück
für angerichtet erklärte.
    Ich schüttelte die letzten losen Reste eines rostigen Schlafs aus
meinem Kopf, zog mich langsam an wie zu einer allzu frühen
Exekution und ging kurz ins Bad, um Hände und Gesicht mit
warmem und kaltem Wasser abzuspülen, bevor ich den Weg in
die Küche fand.
    Es duftete nach frischem Kaffee. Auf dem Küchentisch stand
eine dieser neumodischen Gerätschaften, die den Kaffee
sozusagen durch einen Kolben pressen, und als sie mir einschenkte, erwies er sich als nachtschwarz und undurchdringlich
wie in einem Pariser Morgencafé.
    Sie legte die Zeitung, die alle Osloer, die etwas auf sich halten,
abonnieren zu müssen meinen, und wenn auch nur, um zu
wissen, wer in der letzten Zeit das Zeitliche gesegnet hat, zur
Seite.
»Steht da was – darüber?«
    Sie nickte und schob mir die zusammengefaltete Zeitung auf
meine Tischseite herüber.
Da es sich um eine Zeitung handelte, die nicht vom Straßenverkauf abhängig war, wurde der Todesfall am Oslo Plaza in
einem einfachen, einspaltigen Artikel abgehandelt, mit einem
Verweis auf die Nachrichtenseite weiter hinten. Auf der Titelseite wurde er von den letzten Neuigkeiten der Verhandlungen in
Brüssel übertrumpft, dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien und
dem letzten Schachzug des selbsternannten Oppositionsführers
gegen die nicht weniger selbsternannte Regierung.
TRAGISCHER TODESFALL lautete die Überschrift. Der
Artikel berichtete weiterhin, daß ein Gast des Oslo Plaza unter
bislang ungeklärten Umständen aus dem neunzehnten Stock

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