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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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unterschiedlichen Marathonstrecken
laufen wollten. Die Blicke der Autofahrer wurden schon
paranoid.
    Das Wetter war in Vollreifen Spätsommer umgeschlagen. Die
wenigen Wolken, die am azurblauen Himmel hingen, verzogen
sich schnell, als wären sie in schlechter Form und hätten Angst,
beim Start mitgezogen zu werden. Eine zaghafte Vormittagsbrise wehte den Sonnenschein an uns vorbei. Es herrschten fast
perfekte Laufbedingungen.
    Eine Atmosphäre von Tiger Balsam, Massagecreme und
Vaseline erfüllte die Louises Gate auf der Nordseite von Bislett,
wo die Läufer in Gruppen nach der angenommenen Laufzeit
aufgestellt waren wie geile Hengste vor der Öffnung der Weide
im Frühling. Es waren Hengste jeden Alters, von jungen bis zu
alten grauen, und ebenso viele Formen, vom wackligen Fohlen
bis zum schwerfälligen alten Brauereipferd. Es waren auch recht
viele Stuten dabei, mit auffallend wenig flirtenden Blicken. Das
war nicht der Grund, warum sie hier waren, weder die Hengste
noch die Stuten.
    Ich hatte zeitig gefrühstückt. Als der Kaffee fertig war, hatte
ich an die Tür von Marits Schlafzimmer geklopft und gefragt, ob
sie auch einen wolle. Mit rostiger Stimme hatte sie geantwortet,
daß sie noch liegenbleibe. Als ich fertig war zum Gehen, saß sie
schmaläugig über ihrer Kaffeetasse, während sie ziellos die Aftenposten durchblätterte, aber nicht zu schmaläugig, um
vielsagend an meinem Laufanzug herunterzusehen und »Haute
Couture?« murmeln zu können.
    Ich hatte Preben Backer-Steenberg in der Mitte der überdachten Tribüne an der westlichen Längsseite gefunden, wo es für
die Läufer abgetrennte Felder gab, um Taschen und Oberbekleidung abzulegen. Er hatte dagestanden und mit dem Strohhalm
hellgrünes XL-1 aus einer Anderthalb-Liter-Flasche getrunken,
gekleidet in seidenglattes Gelb und Blau, als liefe er eigentlich
für Schweden. Als er mich entdeckte, hatte er mit einem
viereckigen Grinsen gegrüßt: »Na, tatsächlich zur Stelle,
Veum?« Ich hatte genickt, und er hatte hinzugefügt: »Dann fühl’
ich mich sicher, Veum. Ganz sicher.«
    Jetzt stand er einen halben Meter von mir entfernt in der
Startreihe vor mir. Ich hatte mir alle Details an seiner Ausrüstung und seinem Anzug gemerkt. Ich würde mich an ihm festbeißen, solange ich konnte. Ich würde ihn nicht einen Meter aus
den Augen lassen, und ich würde auch ein wachsames Auge auf
die haben, die um ihn herum liefen.
    Wenn man an der Startlinie eines Marathons steht und schon
einmal Marathon gelaufen ist, trifft man immer Bekannte. Ein
paar Kerle vom Betriebssportverein der Bergenser Polizei
nickten reserviert, während ein Typ aus dem Amt für Baugenehmigungen im Rathaus mir seine ganze Lauftechnik verriet,
vom ersten bis zum letzten Kilometer. Um uns herum klagten
die Leute darüber, wie krank sie seien.
    Ein alter Klassenkamerad aus der Volksschule in Nordnes kam
herüber und begrüßte mich. In der Schule waren wir immer
unter den letzten gewesen, die in die Fußball-Gruppe C der
Klasse kamen. Nichtsdestotrotz waren wir die einzigen aus der
Klasse, die später in der Lage waren, Marathon zu laufen.
Wir näherten uns dem Start, und das Feld begann wie gewöhnlich langsam nach vorn zu sickern. Die Gruppen lösten sich
allmählich auf. Die mit den höchsten Ambitionen preßten sich
nach vorn. Die Sonne beschien das vielfarbige Gewimmel in der
Louises Gate, während das Stadion etwas betrübt links liegen
gelassen wurde, wie ein Monument der Helden früherer Zeiten,
als es diese wirklich noch gab.
    Der Wettkampfleiter kam auf einem Kranwagen mit einem
kurzen Appell um die Kurve. Der Starter hob die Pistole. Der
Startschuß ertönte. Wir waren in Bewegung, ohne einen
Millimeter voranzukommen.
    In den ersten Sekunden eines Marathonlaufs steht alles still.
Das Startfeld ist so dicht, daß man das beklemmende Gefühl
bekommt, auf der Stelle tretend an einer gemeinsamen Aufwärmübung teilzunehmen. Dann bewegt sich die Schlange
langsam vorwärts, Reihe für Reihe. Man findet kleine Öffnungen zwischen den Läufern, folgt einer Zickzacklinie immer zum
nächsten vermuteten Leerraum, die ganze Zeit über die Schulter
schauend, um nicht umgelaufen oder aus den Schuhen getreten
zu werden.
    Ich hatte allerdings eine bevorzugte Laufroute – als Preben
Backer-Steenbergs personifizierter Rockzipfel, der sich vollends
darüber im klaren war, daß er trotzdem nie in dessen Kleiderschrank aufgenommen werden

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