Begrabene Hunde schlafen nicht
stellen, sondern ganz im Gegenteil für alle Öffentlichkeit
publiziert zu haben, wie geil du bist.«
»Nein, jetzt finde ich … Ich habe nicht …«
»Sie hat nicht!« Er wandte sich zum Saal hin. »Habt ihr das
gehört, Leute? Sie hat gar nicht! Sie hat es selbst gesagt!
Marianne Moe! Sie hat nie …«
»Ich habe nicht gesagt …«
»Nein, sprich dich aus, hab Vertrauen zu Frau Sommer, gibt es
sehr viele Absteigen in solchen Büchern?«
»Du meinst – Abschnitte?«
»Nein, Absteigen! Ich meine, so wie du dich entblätterst, Blatt
für Blatt sozusagen, der eine offene Artikel nach dem anderen
… Wie hooch ist das Stipendium für jede Zimmer-Nummer? Im
Jahr?«
»Ich …«
»Aber Marianne Moe ist nicht hierhergekommen, um dumme
Fragen zu beantworten, Leute!«
»Marianne Moe ist gekommen, weil sie uns versprochen hat,
uns zu unterrichten!«
»Marianne Moe hat versprochen, im Laufe des Abends eine
ganz neue …«
»… und nackte! …«
»… erotische Novelle für uns zu schreiben, die sie selbst
vortragen wird, für euch, liebe Loddels, kurz vor Mitternacht!«
»Du, ich glaube nicht …«
»Sie glaubt nicht, daß es so lange dauern wird, Leute! Sie ist
schon dabei! Gleich kommt es ihr! – Marianne Moe, Leute …
gebt ihr einen Langen, ich meine, gebt ihr einen langen Applaus
… Sie kommt, Leute! Sie kommt wieder!«
Die junge Autorin stolperte unter heulenden Ovationen und
stehendem Applaus die Treppe hinauf. Hätte sie einen Schwanz
gehabt, sie hätte ihn zwischen die Beine geklemmt. Der Blick,
den sie uns im Gehen über die Schulter zuwarf, war nackt, als
sei sie vergewaltigt worden.
Ich hatte einen bitteren Geschmack im Mund, als ich mich
wieder an Ove Haugland wandte. »Was zum Teufel soll das denn, Ove?!«
»Das ist die neue Zeit, Varg! Dies ist die neue Zeit!«
»Findest du das lustig?«
Er schüttelte den Kopf.
Von der Bühne ertönte: »Wir machen eine Pause, Leute!«
»Wir wollen einen trinken!«
»Und Marianne Moe ein bißchen …«
»… helfen!«
»Aber wir kommen wieder, Leute!«
»Nicht verzweifeln!«
»PLAY-TIME is coming back!«
»PLAY-TIME is coming …«
»… back!«
Die Band endete in einem verdunkelten Crescendo. Unter
donnerndem Applaus verließen alle Akteure die Bühne. Danach
wurde es zaghaft heller, als sei der Lichtmeister sich nicht
sicher, ob wir es wagen würden, einander in die Augen zu
sehen.
Ove Haugland stand auf. »Ich versuch’s noch mal in Ullevål.«
»Bitte sie, mir eine Ladung Valium zu schicken, als gemeinsamen Pausensnack«, sagte ich.
Während er weg war, sah ich mich um. Die Zuschauer waren
ganz aus dem Häuschen vor Begeisterung, manche derart, daß
sie Schweißflecken unter den Armen hatten. Es hüpfte in tiefen
Ausschnitten, und der berühmte Pianist war längst mit seinen
Fingern auf Wanderung.
Ich bestellte einen Drink, einen doppelten Whisky ohne die
Spur von Eis.
Ich fühlte mich schlecht. Es konnte natürlich vom Laufen
kommen. Oder es konnte etwas anderes sein.
Eine Frau von einem der Nebentische sah mich mit Saugnäpfen im Blick an. Sie hielt die Beine freizügig gespreizt, und ihr
Rock war kürzer als ein Liebesbrief vom Graf Dracula. Mitten
auf dem Oberschenkel trug sie ein schwarz-rotes Strumpfband:
eine Grenzstation, die man, wann immer man Lust hatte, zu
passieren eingeladen war.
Fast hätte sie mich auf den Boden und unter den Tisch hypnotisiert, doch dann kam Ove Haugland zurück, das Gesicht in
ernste Falten gelegt.
Die Frau am Nebentisch verdrehte die Augen, und mit einem
verächtlichen Knick im Handgelenk brachte sie unmißverständlich zum Ausdruck, was sie von uns als Paar hielt.
Ove Haugland zog den Stuhl vom Tisch weg und setzte sich.
Er war weiß um die Nasenwurzel. »Preben Backer-Steenberg ist
heute abend um 19.28 Uhr gestorben, ohne noch einmal zu
Bewußtsein gekommen zu sein.«
Wenn man einen Draht in eine Steckdose steckt, bekommt
man einen Schlag. Es hätte mich nicht überraschen dürfen.
Trotzdem durchfuhr es mich wie ein elektrischer Schlag.
Nach einer Weile sagte ich: »Haben sie was über die Todesursache gesagt?«
»Herzversagen.«
»Herzversagen? Aber …«
»Aber über die Ursache haben sie nichts gesagt. Wenn man
bedenkt, daß er gerade einen Marathonlauf hinter sich hatte …«
»Es war nicht der Lauf, der ihn umgebracht hat, Ove!«
»Nein? Wer denn?«
»Axel Hauger. Es muß irgendeinen Zusammenhang geben zu
dem, worüber wir gestern geredet haben.«
»Erpressung?«
»Jetzt mit tödlichem
Weitere Kostenlose Bücher