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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Stadionpersonal konnte
sie weggeräumt haben. Oder jemand anders hatte sie mitgenommen. In dem Fall hoffte ich, daß niemand den Inhalt
probierte.
Über die Lautsprecher wurde ich zum Blasenball ins SASHotel eingeladen. Aber ich biß nicht an. Ich hatte nicht viel zu
feiern. Außerdem hatte ich eine Verabredung.
32
    Ein aufreißerisches Plakat mit dem in großen, silbermetallic
glänzenden Buchstaben aufgemalten Titel PLAY-TIME dominierte den schmalen Bürgersteig in der kleinen Querstraße
zwischen Torggate und Møllergate. Das Lokal hieß ganz anders,
aber es gab keinen Zweifel daran, was zur Zeit die große
Hauptattraktion war. Davor eine Schlange von schon zwanzig
Metern, und es war eine andere als vor dem Kaffeetresen beim
Basar der Inneren Mission. Hier brauchte man Ellbogen, um
nicht aussortiert zu werden.
    Wir waren in einen Teil von Oslo eingetaucht, der längst
schon JA! gesagt hatte zu einem farbenfrohen Miteinander – in
sehr grellen Farben. Wenn die Atmosphäre im unteren Teil der
Karl Johan im Laufe des Abends an einem gewöhnlichen
Wochentag gespannt wirken konnte, dann war die Stimmung
hier annähernd revolutionär, sogar schon recht früh an einem
Samstagabend. Hier gingen nicht viele Rentner spazieren. Die
meisten Leute waren weit unter Vierzig, und nur äußerst wenige
waren allein unterwegs. Die meisten kamen in lärmenden
Gruppen von Gleichgesinnten, ob es nun das Alter, die Hautfarbe oder die soziale Zugehörigkeit betraf.
    Der Türsteher im Smoking stand am Eingang und diskutierte
lautstark mit ein paar gutgekleideten Pakistanis, denen der
Zugang verwehrt wurde. »Nur für Mitglieder! Du mußt deinen
Mitgliedsausweis vorzeigen!« wiederholte er wieder und wieder,
als sei er von einer inneren Automatik gesteuert. Die Stimmung
wurde nicht besser, als Ove Haugland mit mir im Schlepptau
und einem kurzen Nicken zum Türsteher an der ganzen Schlange vorbei direkt hineinging, ohne auch nur eine Straßenbahnfahrkarte vorzuzeigen.
    An der Garderobe mußten wir allerdings unsere Eintrittskarten
zeigen, aber danach kamen nur noch der rote Läufer zum
reservierten Tisch und Champagner zur Begrüßung, bevor wir
uns überhaupt hinsetzen konnten. Die Macht der Presse ist
unermeßlich, in gewissen Zusammenhängen.
    Das Lokal war nicht viel greller, als ich befürchtet hatte,
Schwarz und Silber in rosa Licht getaucht, geschmackvoll wie
ein Elvis-Film von 1965.
    Das Publikum bestand aus einer einschlägigen Mischung:
herablassende Sozialarbeiterinnen mit einer Tante im Ullernåsener Nobelviertel in Begleitung Smoking tragender Kavaliere mit
geschwollener Oberlippe, als hätten sie einen Bienenschwarm
passieren müssen, um hereinzukommen, Lebe-das-LebenIntellektuelle aus Homansbyen mit James-Joyce-Anstecker am
Jackenaufschlag und Knutschfleck am Hals, garniert mit dem
einen oder anderen weltberühmten Konzertpianisten mit
schlecht synchronisiertem Selbstbild, einem Fernsehredakteur,
der häufiger in gut dokumentierten Lutefisk-Gelagen anzutreffen war als auf dem Bildschirm, und einem abgehalfterten
Schauspieler um die Sechzig, der Strindbergs Dødsdansen nur
noch in seinem eigenen Privatleben spielte, für alle Fälle behängt mit einer alternden Souffleuse von der schielenden Sorte.
Es war eine beeindruckende Menagerie. Goya hätte sie nicht
schöner malen können.
    Das Lokal sah aus wie ein umgebautes Café, mit Galerie und
allem Drum und Dran, und es gab einen sonnenklaren Klassenunterschied zwischen denen, die unten um die Tische herum
saßen, und denen, die sich auf der Galerie stapelten, wo sich die
Schlange von draußen häufchenweise anzusammeln schien.
    Die Show hatte noch nicht begonnen. Die Bühne war leer, die
Musik aus den Lautsprechern kam aus der Dose – und war viel
zu laut.
    »Und worin besteht die Attraktion?« rief ich Ove Haugland zu.
»Wart nur ab, bis die Vorstellung anfängt!« rief er zurück.
Ich hatte ihm erzählt, was mit Backer-Steenberg passiert war,
    und er hatte interessiert zugehört. Von der Rezeption im Bristol
aus hatte er in Ullevål angerufen, war aber auch an der Schweigepflicht gescheitert. Als er zurückkam, teilte er mir mit: »Aber
ich kenne jemanden da oben. Er hat um zehn Uhr Dienst. Ich
versuche es später noch mal.«
    Wir bestellten etwas zu essen, einen von der Bedienung empfohlenen Schalentierteller, und während wir darauf warteten,
tranken wir weiter Champagner.
»Sitzt dir der Lauf auch in der Zunge? Ich dachte, es

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