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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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und Brunftheuler!«
»Kurz gesagt – Leute! Ein ohrenbetäubendes Hallelu …«
»… ja-du-warst-so-guuut!«
»… für Børre Knalheim!«
Die Chordamen und zwei der Moderatoren schleiften den
beinahe bewußtlosen Vestlandsrockstar, den verlorenen Sohn
aus dem Bethaus, durch den Vorhang hinter die Bühne, während
das Licht sich auf den darauf Verbliebenen konzentrierte.
»Und nun, Leute, der Clou des Abends, der Höhepunkt der
Nacht, um nicht zu sagen die Klimax! Das, worauf ihr alle wartet – jetzt ist sie wieder da, um uns aus ihrer eben geschriebenen
erotischen Novelle vorzulesen. Wir lassen alle Metaphern liegen
und sprechen direkt zu den Organen … meine Damen und
Herren … die Autorin Marianne Moe! Neu und nackt! Ja, das ist
der Titel, also, meine – Herren.«
Marianne Moe wurde von zwei zielbewußten Moderatoren
durch den Vorhang geleitet. In der Hand hielt sie einen Notizblock. Vom Licht der Scheinwerfer geblendet, irrte ihr Blick wie
ein Pingpongball durch den Saal, als suchte sie dort nach
Beistand.
Wolfsgeheul entstieg dem Publikum, denn hinter Marianne
Moe, in einer nachgemachten Folies-Bergère-Position in Pfauform die Treppe hinauf, hatte sich das Eierballett aufgestellt,
und sie hatten die Zeit fleißig genutzt. Abgesehen von einem
winzigen Tanga waren sie nackt wie gerupfte Hähnchen, und die
Stellungen, die sie für Marianne Moes Finale einnahmen,
überließen wenig oder nichts der Phantasie.
»Marianne Moe! Du hast eine Novelle für uns geschrieben, in
nur …«
»Nein, ich …« Ihre Stimme klang dünn und hilflos. »Ich weiß
nicht, ob ich ka-kann …«
»Ob du kannst?!« grölte der Moderator. »Du hast gekonnt, seit
du – jedenfalls lange bevor du durftest! Du hast so viel geboten,
all die Jahre, und hast uns allen gezeigt, was du kannst! Und daß
du kannst! Du kannst uns jetzt nicht enttäuschen! Marianne
Moe?«
»Nein nein, ich …«
Mit einer Handbewegung unterbrach der Moderator die Band.
Es wurde mäuschenstill im Saal.
Die Moderatoren erstarrten in ihrer jeweiligen Positur. Das
Publikum hielt die Luft an.
Marianne Moe sah sich mit großen, angstvollen Augen um wie
der schwächste Konfirmand des Dorfes am Tag der Prüfung,
und die Hand, mit der sie den Notizblock hielt, zitterte so, daß
ich fürchtete, sie würde kein Wort davon ablesen können.
»Ich … Es sind nur einige Worte, die ich zusammengesetzt
habe … Ich wollte nicht …«
Ich schob mit einem kratzenden Geräusch meinen Stuhl zurück und stand auf. Dann beugte ich mich zu Ove Haugland und
zischte ihm ins Gesicht: »Das seh’ ich mir nicht länger mit an!
Ich gehe!«
»Schon gut, Varg, schon gut!«
»Nur eine Frage noch: Wo glaubst du, ist Thorbjørn Finstad?«
»Zu Hause, denke ich! Sieh im Telefonbuch nach. Unter
Aud.«
»Und wo, verdammt, meinst du, hält sich Svein Grorud versteckt?«
Er hob die Arme. »Auf der Hütte?«
»Hat er eine Hütte?«
»Keine Ahnung.«
»Kannst du es für mich rausfinden?«
»Ja, ruf mich Montag an!«
Die Leute an den umliegenden Tischen zischten uns zu, wir
sollten still sein. Ein Ober war schon unterwegs, um den Türsteher zu holen. Auf der Bühne suchte Marianne Moe noch immer
nach dem richtigen Wort.
»Varg …«
Ich nickte. »Bleibst du noch?«
»Ja.«
Der Türsteher kam auf uns zu.
»Wo treffen wir uns das nächste Mal, Ove? In Sodom oder in
Gomorrha?«
»Irgendwo dazwischen, würde ich tippen.«
»Aber da sind wir doch schon!«
Damit hatte ich auch diesmal das letzte Wort.
Es war ein wohlerzogener Türsteher. Er begleitete mich ganz
hinaus.
Noch immer standen draußen Leute Schlange. Sie drängten
sofort zum Eingang, in der Hoffnung, den Platz ergattern zu
können, der offensichtlich frei geworden war.
Ich schüttelte den Kopf, atmete tief durch und starrte dem
Nachthimmel blind in die Augen, bevor ich die Møllergate
entlang in Richtung Stortorv ging. Direkt um die Ecke kam ich
an einem roten Escord mit einem Fuchsschwanz hinter der
Scheibe vorbei. Einen Augenblick blieb ich stehen und sah
hinein. Er war leer. Ich sah mich um, entdeckte aber niemanden.
Also ging ich weiter, eine irritierende Spannung im Hinterkopf.
Ich ahnte die Schritte, bevor ich sie hörte, und ich hatte mich
nur halb herumgedreht, als ein Handkantenschlag mich an der
Schulter traf.
»Altes Schwein!« rief jemand, dann traf mich eine Faust am
Kiefer und hinderte mich daran zu antworten.
Es knisterte vor meinen Augen, und ich wankte an eine Hauswand, während ich

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