Behandlungsfehler
kann ich zum Lackierer bringen und sagen: »Machen Sie es bitte rot.« Wenn es hinterher grün ist, kann ich letztendlich mein Geld zurückverlangen. Wenn ich den Lackierer beauftrage, gehe ich mit ihm einen Werkvertrag ein, in dem ein Erfolg geschuldet ist. Der Vertrag mit dem Arzt dagegen ist ein Dienstvertrag. Wer sich behandeln lässt, kann nicht ein bestimmtes Ergebnis, einen Erfolg, verlangen, sondern nur eine ordnungsgemäße Behandlung. Wenn ich mit heftigen Schmerzen rechts im Bauch zum Arzt komme und sage: »Machen Sie mich bitte gesund«, wird der Arzt vermutlich feststellen, dass der Blinddarm entzündet ist und ihn entfernen. Aber ob ich auch wirklich gesund werde, hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel davon,
wie stark mein Immunsystem ist und ob neben dem Blinddarm ein Krebsgeschwür wuchert. In der Regel kann ich den Arzt nicht haftbar machen, wenn sich Komplikationen einstellen und die Behandlung nicht sofort anschlägt. Der Arzt schuldet mir eben nur eine Behandlung, die dem ärztlichen Standard entspricht. Solange er medizinisch gesehen alles richtig macht, erfüllt er den Dienstvertrag – egal, ob ich mit dem Ergebnis nun zufrieden bin oder nicht. Jeder Mensch ist anders, ob eine Behandlung anschlägt oder nicht, ist nicht sicher vorherzusagen.
Behandlungsfehler und Standard
Allen Behandlungsfehlern gemein ist ein Verstoß gegen den medizinischen Standard. Der medizinische Standard repräsentiert den Stand der Erkenntnisse, die sich in der Praxis bewährt haben. Der Arzt muss also die Maßnahmen ergreifen, die von einem gewissenhaften Arzt aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs vorausgesetzt und erwartet werden können. Weicht er von diesen Maßstäben ab, stellt das einen Behandlungsfehler dar. Wohl bemerkt gilt für die Universitätsklinik der gleiche Maßstab wie für ein kleines städtisches Krankenhaus. Vorausgesetzt werden kann nicht das medizinisch Mögliche, sondern eben nur der Standard.
Wirtschaftliche Erwägungen nehmen bislang keinen Einfluss auf das, was im Rahmen eines medizinischen Standards gefordert werden kann. Allein aus Kostengründen darf eine medizinische Behandlung, die den ärztlichen Standard repräsentiert, nicht verweigert werden.
Gutachter prüfen, ob eine Behandlung dem Standard entspricht. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe: Der ärztliche Standard ist im steten Wandel, denn die Forschung bringt viele neue Methoden und neue Möglichkeiten, von denen manche auch schnell zum Standard werden. Die Ärzte, die als Gutachter herangezogen werden, müssen auf dem Gebiet, zu dem sie befragt werden, erfahren sein und verfolgen, wie sich die Standards ändern. Sie müssen sich stets über den neusten Kenntnisstand, alle Änderungen und Aktualisierungen informieren und sich top auskennen. Das ist mitunter eine Herausforderung.
Wenn ein Arzthaftungsfall vor Gericht verhandelt wird, geht es nicht um Schuld. Schuld ist ein Begriff aus dem Strafrecht, und Arzthaftungsrecht ist Zivilrecht. Im Fokus steht das vermeidbare, behandlungsfehlerhafte Verhalten des Arztes, der den Fehler zu vertreten hat. Der Arzt wird verurteilt, an den Patienten Geld zu zahlen, um den Schaden auszugleichen. Die Höhe, insbesondere des Schmerzensgeldes, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Denn Schmerzensgeld hat eine Genugtuungsfunktion. Nicht mehr und nicht weniger. Es kann den Schaden, den der Patient erfahren hat, nicht wiedergutmachen. 10 000 Euro machen den erlittenen Schaden ebenso wenig ungeschehen wie 8000 Euro. Entscheidend für den Patienten im Allgemeinen ist, dass festgestellt wird, dass der Arzt für den Schaden, der durch seinen Fehler entstanden ist, aufkommen muss. Im strafrechtlichen Sinne bestraft wird er dafür nicht. Er muss nicht inhaftiert werden.
Grundsätzlich kann man durch positives Tun, aber auch durch Unterlassen einen Fehler begehen. Der Behandlungsfehler, das Abweichen von dem geforderten Standard, kann eine falsche Diagnose, eine unpassende oder veraltete Behandlung sein, es kann das Unterlassen einer Untersuchung oder einer Aufklärung oder auch eine unzureichende Organisation einer Praxis oder eines Krankenhauses sein.
Diagnosefehler
In der Praxis kommen Diagnosefehler häufiger auf. Das liegt daran, dass die Beschwerden des Patienten nicht immer eindeutig einer Erkrankung zuzuordnen sind. Irrtümer in der Diagnose, die objektiv auf eine falsche Interpretation von Befunden zurückgehen, können daher oft nicht als Behandlungsfehler gewertet
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