Behandlungsfehler
Körper die Blutung nicht mehr stoppen, was natürlich lebensgefährlich ist. Auch eine Eigenbluttransfusion hätte das Leben wahrscheinlich in solch einem Fall nicht mehr retten können. Claudia Bredow verblutete.
Die ASS-Medikation hatte das Blutungsrisiko deutlich erhöht und die Blutgerinnung damit negativ beeinflusst. Es hörte einfach nicht auf zu bluten, egal, was die Ärzte versuchten.
Frau Bredow kann man nicht vorwerfen, dass sie nicht an das ASS gedacht hatte. Sie war aufgeregt und in Sorge, und klammerte sich an den Gedanken, dass die Ärzte schon alles richtig machen würden. Ihrem Arzt aber kann man einen Vorwurf machen. Die Medikation stand in den Behandlungsunterlagen. Er hätte vor der Operation nur einfach nachfragen brauchen, wann das ASS abgesetzt wurde. Dass er das versäumt hatte, ist für mich eindeutig ein Behandlungsfehler, wenn auch vielleicht kein grober. Meine Einschätzung erklärte ich auch den Kindern und wir einigten uns, dass wir erst einmal versuchen würden, einen Vergleich zu erzielen.
Ein Gerichtsverfahren zieht sich über Jahre. Und den Kindern von Frau Bredow ging es nicht ums Geld. Sie wollten Gerechtigkeit. Sie wollten verstehen, was passiert war. Einfach, dass jemand sagt und anerkennt, hier ist etwas Unrechtes passiert. Wiedergutmachen in dem Sinne konnte das Geschehene sowieso niemand. Egal wie viel Geld die Kinder bekämen, ihre Mutter machte das nicht wieder lebendig.
Die Haftpflichtversicherung des Krankenhauses war relativ kooperativ. Der Wunsch der Kinder an die Öffentlichkeit zu gehen, kam mir zugute. Denn so konnte ich einen gewissen Druck aufbauen. Keine Versicherung liest gern ihren Namen in der Zeitung. Wenn es nur der Name des Versicherungsnehmers – also der Name der Klinik – wäre, wäre das der Versicherung sicherlich nicht so wichtig. Aber der eigene Ruf? Keine Versicherung der Welt möchte als nicht regressionsbereit gelten.
Es ist ein schmaler Grat, auf den man sich begibt. Aber an der Stelle war es für mich ein gangbarer Weg. Und wir konnten uns schließlich auch gut einigen. Die Kinder von Claudia Bredow bekamen ihr Recht. Das Zugeständnis: Das hätte so nicht passieren dürfen. Trotzdem bleibt auch für sie ein trauriger Beigeschmack. Hätte Claudia Bredow am 12. oder an den Tagen danach etwas anderes vorgehabt, wäre der OP-Termin nicht vorverlegt worden und das Ganze vermutlich
nie passiert. Der Begriff des Schicksals drängt sich hier auf. Und trotzdem war es ein Behandlungsfehler, der ihren Tod verursacht hat und zu einem Anspruch auf Schadens- und Schmerzensgeld führte.
Wenn Patienten einen Behandlungsfehler vermuten, ist irgendetwas nicht so gelaufen, wie es sollte. Aber es liegt nicht unbedingt immer dann, wenn der Ist- vom Sollverlauf abweicht, auch tatsächlich ein Behandlungsfehler vor. Oft verwirklicht sich schlicht ein spezifisches Risiko, und der Patient, den es trifft, hat buchstäblich einfach »Pech«. Der Behandlungsvertrag ist kein Garantievertrag – es kann immer auch anders kommen als erhofft. Es können bei jedem Eingriff Komplikationen auftreten – seien es Blutungen, Infektionen oder Zwischenfälle bei der Narkose. Wir sprechen dann von einem schicksalhaften Verlauf.
Vor einiger Zeit kam ein Mann zu mir, der auch eine neue Hüfte bekommen hatte. Bei der Operation war der Ischiasnerv geschädigt worden. Seither hatte er massive Schmerzen. Dass dieser Nerv verletzt werden kann, gehört zu den spezifischen Risiken einer Hüftoperation. Der Arzt muss den Patienten darüber aufklären, und er hat das im Falle dieses Mannes auch getan. Hinterher zu argumentieren, dass man während der Operation dafür hätte sorgen müssen, dass der Nerv nicht verletzt wird, halte ich für falsch. Der Arzt wird zwar versuchen, den Nerv entsprechend zu sondieren, aber ein Restrisiko bleibt.
Wenn ein Gutachter meint, hier läge ein Behandlungsfehler vor, würde ich in den allermeisten Fällen sagen: Da bin ich mir nicht sicher. Wahrscheinlich ist, dass sich ein bestimmtes Risiko verwirklicht hat, so etwas kommt vor, das ist bekannt. Der Arzt kann dafür nicht haftbar gemacht werden. Es muss schon, zum Beispiel aus dem Operationsbericht, hervorgehen, dass besondere Umstände vorlagen, um ein Fehlverhalten anzunehmen.
Anders ist es bei intraoperativen Verbrennungen. Sie entstehen, wenn das Gerät, mit dem der Arzt während der Operation das Gewebe schneidet und die Blutungen stillt, nicht sachgemäß geerdet ist – zum Beispiel, weil
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