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Behandlungsfehler

Behandlungsfehler

Titel: Behandlungsfehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Konradt
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werden. Wenn die falsche Interpretation vertretbar war, so ist der Diagnoseirrtum nicht vorwerfbar. Das passiert. Hat der Arzt hingegen nicht alle Befunde ausgewertet, diese in unvertretbarer Weise ausgewertet oder sich aufdrängende Befunde nicht erhoben, so liegt ein Behandlungsfehler vor.
    Ein junger Fußballer wird von einem anderen Spieler angerempelt und fährt im Cabriolet bei der Klinik vor. Er klagt über
Schmerzen im Brustkorb und in der linken Schulter. Der Arzt diagnostiziert ein Schulter-Arm-Syndrom. Der Patient bekommt ein schmerz- und entzündungshemmendes Mittel, und wird an den Hausarzt im Bedarfsfall überwiesen. Am gleichen Tag kommt ein 65-jähriger Mann, der sich ein Fußballspiel im Fernsehen angeschaut hat, mit den gleichen Beschwerden in das Krankenhaus. Der Arzt stellt die gleiche Diagnose und verordnet die gleiche Therapie. Später stellt sich heraus, dass beide Männer einen Herzinfarkt hatten. Beide Male stellte derselbe Arzt eine Diagnose, die objektiv falsch war. Aber nur im zweiten Fall liegt auch ein Behandlungsfehler vor.
    Bei dem älteren Mann hätte der Arzt unbedingt an einen Herzinfarkt denken, ein EKG schreiben und Laborwerte bestimmen müssen, um diesen Verdacht abzuklären. Dass er das nicht getan hat, zieht juristisch Folgen nach sich. Es ist davon auszugehen, dass die richtige Diagnose gestellt worden wäre, wenn diese Untersuchungen durchgeführt worden wären.
    In dem Fall des jungen Mannes aber drängte sich der Verdacht auf einen Herzinfarkt nicht auf – es lag nahe, dass er beim Anrempeln verletzt worden war und die Zugluft im Cabrio die Nerven zusätzlich gereizt hat. Darüber hinaus war er jung. Dem Arzt kann hier kein Vorwurf gemacht werden, auch wenn die von ihm gestellte Diagnose sich als falsch erwiesen hat. Es ist richtig, wenn er nach Auswertung der Vorgeschichte und der Untersuchungsergebnisse zunächst davon ausgeht, dass die wahrscheinlichste Diagnose vorliegt – und das ist bei einem gesunden jungen Mann, der regelmäßig Sport treibt und dabei verletzt worden ist, nicht der Herzinfarkt.
    Das gilt solange, bis Hinweise dafür auftauchen, dass die ursprüngliche Diagnose doch nicht richtig ist. Dann muss der Arzt sie infrage stellen und die aufgetretenen Wiedersprüche aufklären. Er muss weitere Untersuchungen durchführen und erneut diagnostizieren, was dem Patienten fehlt! Auch wenn der Arzt ein Röntgenbild anfertigt, er es sich nicht genau ansieht, weshalb er eine erkennbare Fraktur übersieht und stattdessen fehlerhaft eine Zerrung feststellt, liegt ein Behandlungsfehler vor.

    Befunderhebungsfehler
    Die Rechtsprechung bewertet den Diagnoseirrtum mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler. Bei dem Befunderhebungsfehler ist dies anders. Bei diesem liegt der Fehler darin, dass eine notwendige Untersuchung nicht durchgeführt wird, weshalb es zu dem Diagnoseirrtum kam. Das Beispiel des 65-jährigen Mannes, bei dem nicht abgeklärt wurde, ob er einen Herzinfarkt hatte, gehört auch in diese Fallgruppe. Befunderhebungsfehler sind im Arzthaftungsprozess von besonderer Bedeutung, weil sie unter Umständen zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten führen. Darauf komme ich noch einmal ausführlich zurück.
    Therapiefehler
    Ist die Diagnose korrekt, aber die Behandlung nicht, sprechen wir von einem Therapiefehler. »Da hat der Arzt was falsch gemacht«, heißt das im Volksmund. Aber so einfach ist es leider doch nicht. Oft gibt es zu einer Diagnose verschiedene Formen der Behandlung. Die Lehrmeinungen, was wann zu tun ist, können sehr weit auseinandergehen. Das bekannteste Beispiel dafür sind wohl die Therapien bei Knieproblemen. Der eine sagt: »Ich verordne Ihnen eine gezielte Physiotherapie, dann wird das schon wieder.« Und der andere: »Da müssen wir sofort operieren. Wir setzen Ihnen ein neues Knie ein.« Ein Arzt meint, dass der Meniskus bei einer Läsion komplett entfernt werden muss, ein anderer wird nur einen Teil entfernen.
    Jeweils beide Behandlungsmöglichkeiten können richtig sein. Für die meisten Erkrankungen gibt es nicht nur allein eine, die richtige Behandlung. Bestehen mehrere Möglichkeiten, eine Krankheit zu behandeln, muss der Arzt dem Patienten diese erklären, damit er die Möglichkeit hat, zwischen den Alternativen zu wählen. Die Einzelheiten hierzu beschreibe ich im Hintergrundkapitel »Aufklärung«.
    Bei der Wahl der Therapie muss der Arzt die individuellen Fähigkeiten des Patienten berücksichtigen. Tut er das nicht, so

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