Behandlungsfehler
später bei einem Unfall ums Leben gekommen. Das Gericht erkannte hier einen Verstoß des Arztes gegen seine Organisationspflichten: Wenn in einer Praxis Patienten durch Beruhigungsmittel in einen Zustand versetzt werden, in dem sie sich nicht selbst steuern können, muss auch sichergestellt werden, dass diese Patienten nicht zu Schaden kommen. Ab und zu über den Flur zu gehen und nach dem Patienten zu sehen, reicht in dieser Situation nicht aus.
Ich selbst habe dieses Urteil in der Fachliteratur kommentiert und bin dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anforderungen der Rechtsprechung an den Arzt vorliegend zu hoch gesetzt sind. Fakt ist aber, dass es dieses Urteil gibt. An den Vorgaben des Bundesgerichtshofs müssen sich sowohl Ärzte als auch Krankenhäuser orientieren.
Es ist ein absolutes Muss und Grundvoraussetzung, dass die Geräte, die zum Einsatz kommen, funktionieren und genügend qualifiziertes ärztliches und nichtärztliches Personal zur Verfügung steht. Wenn das nicht der Fall ist, so liegt ein Organisationsverschulden vor und der Arzt oder das Krankenhaus kann für die daraus entstandenen Schäden haftbar gemacht werden.
Schaden und Kausalität
Nicht nur der Behandlungsfehler muss nachgewiesen werden, sondern auch der durch diesen verursachte Schaden. Häufig problematisch ist, dass ich beweisen muss, dass der Behandlungsfehler einen Schaden verursacht hat.
Den Schaden zu bestimmen, bereitet den Betroffenen meist nicht so ein großes Problem. Kurz gesagt ist das die Differenz zwischen dem vorliegenden Zustand und dem, was zu erwarten war. Oder: Die Abweichung des lst- vom Sollverlauf. Dem Juristen kann aber auch der Schaden Probleme bereiten. Es gibt Fälle, in denen überhaupt nicht klar ist, ob eine Fehlbehandlung zu einem Schaden geführt hat. Der Patient muss aber beweisen, dass ein Schaden vorliegt. Auch hierzu möchte ich gern ein Beispiel schildern:
Bei einem Mann wurde eine Niere transplantiert, obwohl der PSA-Wert, ein Tumormarker, erhöht war. Bei Krebsverdacht sollte nicht transplantiert werden, denn nach einer solchen Operation wird das Immunsystem erst einmal mit Medikamenten unterdrückt und der Körper kann den Kampf mit dem Krebs nicht aufnehmen. Im Körper dieses Mannes explodierte tatsächlich nach sechs Monaten unter der immunsuppressiven Therapie der Krebs. Aber er ist wie eine Katze mit sieben Leben. Im Verlauf sprengte er jede Statistik. Er lebt und lebt und lebt. Wo ist da der Schaden? Dass ihm eine neue Niere eingesetzt wurde, war eine lebensverlängernde Maßnahme. Daher konnte man hier nicht von einem Schaden sprechen. Mehr als leben kann er nicht. Oder liegt der Schaden darin, dass die Therapie gegen den Krebs durch die Transplantation später als möglich eingeleitet wurde? Wohl kaum. Denn er lebt, was hätte besser laufen können? Man kann sicherlich fragen, ob die Krebserkrankung wegen der Transplantation ausgebrochen war, aber das lässt sich nicht beweisen.
Bei dem Nachweis des Schadens greifen Beweiserleichterungen oder eine Beweislastumkehr nie. Hier gilt der Grundsatz, dass der Patient den Beweis für seine anspruchsbegründenden Tatsachen zu erbringen hat. Unser Hauptproblem im Arzthaftungsrecht ist also die Kausalität, der Nachweis, dass der Behandlungsfehler den Schaden des Patienten verursacht hat. Der Patient kann den Arzt nur haftbar machen, wenn der Schaden bei einer dem ärztlichen Standard entsprechenden Therapie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre.
Einem Mann wurde beispielsweise eine künstliche Herzklappe eingesetzt. Anschließend verordnete der Arzt kein Antibiotikum, wie man das sonst eigentlich vorbeugend immer tut, damit sich der Herzmuskel nicht entzündet. Das war unzweifelhaft ein Behandlungsfehler. Der Patient starb. Juristisch gesehen ist das »sein Schaden«. Aber woran ist er gestorben?
Es wird schwierig, das festzustellen. Man kann zwar anhand bestimmter Kriterien überprüfen, ob der Herzmuskel entzündet war. Aber ist der Patient auch daran gestorben? Wahrscheinlich. Aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lässt sich
das nicht sagen. Genauso gut könnte es sein, dass er einfach zu wenig getrunken hat und dehydriert ist. Damit ist die Kausalität fraglich: Und auch in anderer Hinsicht ist der Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen Behandlungsfehler und Schaden schwierig: Hätten die Herzchirurgen alles richtig gemacht, hätte der Patient das Antibiotikum erhalten. Aber kann
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