Behandlungsfehler
kann auch darin ein Behandlungsfehler liegen – auch wenn er ansonsten dem ärztlichen Standard gefolgt ist.
Dazu ein Beispiel: Eine ältere Dame hatte sich das Ellbogengelenk gebrochen und wurde operiert. Statt den Arm durch einen Gips zu fixieren, der keinerlei Belastung und Bewegung zuließ, legte der Arzt ihr, so wie man das heutzutage oft macht, einen Verband an, der Bewegungen und Belastungen ermöglichte. Sie solle den Arm schonen, nicht belasten, sagte er zu ihr. Doch die Patientin war alt und verwirrt. Sie verstand überhaupt nicht, was der Arzt damit sagen wollte. Natürlich belastete sie den Arm, indem sie ihn benutzte. Das frisch operierte Ellbogengelenk flog gleich wieder auseinander. Was für ein Wunder. Für mich war das ein recht klarer Fall: Der Arzt hätte selbstverständlich dafür sorgen müssen, dass die Therapie von Erfolg gekrönt sein konnte. Dafür hätte er die individuellen Fähigkeiten der Patientin berücksichtigen – also den Arm in eine Gipsschale legen müssen, statt darauf zu vertrauen, dass er nicht belastet wird. Medizinischer Standard hin oder her – meines Erachtens hatte er für diese Frau die falsche Therapie gewählt. Ein Therapiefehler, keine Frage. In dem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren wurde meine Auffassung bestätigt.
Der Aufklärungsfehler
Der Patient ist nicht ein Objekt, über das die Ärzte entscheiden. Dem Patienten muss erklärt werden, welche Möglichkeiten der Behandlung es gibt, welche Erfolgsaussichten und welche Risiken bestehen. Auch das fordert der Behandlungsvertrag. Diese Aufklärung soll es ihm ermöglichen, eigenverantwortlich zu entscheiden, ob er sich behandeln lässt und auf welche Weise. Die Aufklärung des Patienten und seine Einwilligung sind zentrale Themen im Arzthaftungsrecht und ich werde mich später noch ausführlich damit befassen.
Der Aufklärungs- als Behandlungsfehler
Die Aufklärungspflicht der Ärzte geht weiter: Der Arzt muss den Patienten darüber aufklären, was er tun muss, damit der Behandlungserfolg auch eintreten kann. Er muss dem Patienten erklären, wie er sich verhalten soll, damit das gelingt. Wann soll er die Medikamente einnehmen, wann darf er vor einer Operation das
letzte Mal trinken oder essen, wann darf er das operierte Bein wieder belasten? Wann sind Befunde zu kontrollieren, welche sind zukünftig zu erheben? Diese Dinge weiß ein Patient nicht, man muss sie ihm verständlich erläutern. Und erklärt der Arzt sie dem Patienten nicht, so wird die Verletzung dieser Aufklärungspflicht als Behandlungsfehler gewertet.
Der Organisationsfehler
Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte müssen alles dafür tun, dass Patienten ordnungsgemäß versorgt werden können. Es ist klar, dass durch Organisation nicht jedes Risiko ausgeschlossen werden kann, aber manche Dinge dürfen einfach nicht passieren und müssen durch organisatorische Maßnahmen um alles in der Medizinwelt verhindert werden.
Dass den verantwortlichen Krankenhausträgern und Ärzten hier Fehler unterlaufen können, zeigen folgende Beispiele:
In einem kleinen Krankenhaus kam es mitten in der Nacht bei einer Geburt zu einem Notfall. Die Herztöne des Kindes wurden immer schwächer, es musste sofort ein Kaiserschnitt durchgeführt werden, um das Kind aus seiner Notlage zu befreien. Die Mutter wurde aus dem Kreißsaal gebracht, die Narkose schon eingeleitet und dann standen Ärzte und Schwestern vor dem verschlossenen Operationssaal – und keiner wusste, wo der Schlüssel war. Bis der Schlüssel gefunden wurde, verstrich viel wertvolle Zeit. Das Kind überlebte, war aber schwerbehindert. Die Gerichte sahen hier einen schwerwiegenden Organisationsfehler der Krankenhausleitung und sprachen dem Kind Schadenersatz zu. Notfälle passieren eben auch nachts, weshalb der Zugang zum Operationssaal rund um die Uhr gewährleistet sein muss.
In der Praxis eines Internisten wurde bei einem Mann eine Darmspiegelung durchgeführt. Für diese Untersuchung erhalten Patienten ein Beruhigungsmittel. Dieses Beruhigungsmittel führt dazu, dass der Patient für den Rest des Tages nicht mehr fahrtüchtig und für längere Zeit nicht dazu fähig ist, eigenverantwortlich zu handeln. Nach der Darmspiegelung saß der Patient nun auf dem Flur. Ab und zu schauten der Arzt und seine Mitarbeiter nach ihm.
Plötzlich war er verschwunden. Wie sich später herausstellte, war er mit seinem Auto losgefahren, obwohl er dazu überhaupt noch nicht in der Lage war, und wenig
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