Behandlungsfehler
dass die frühzeitige Reaktion, durch die Gabe zunächst eines Antibiotikums, zu einem anderen Verlauf bei dem Patienten geführt hätte.
Ich konnte damit Ansprüche auf Schadens- und Schmerzensgeld durchsetzen.
Bei der Tatsache, dass im Fall von Herrn Kaden keine ausreichende Diagnostik durchgeführt wurde, handelte es sich meines Erachtens mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen groben Behandlungsfehler, bei dessen Vorliegen wir Ansprüche würden durchsetzen können.
Für Mathias Kaden war eine außergerichtliche Einigung die beste Lösung. Wie bei seiner Erkrankung ging es auch jetzt um Zeit. Seine Existenz war – das klingt theatralisch, aber es war definitiv so – zerstört. Finanziell stand er mit dem Rücken zur Wand. Ein Klageverfahren dauert bis zu fünf Jahre, zuweilen auch länger, soviel Zeit hatte er nicht. Er musste einen Weg finden, seine Familie auch in Zukunft zu ernähren. Dafür brauchte er Geld.
Ein Vergleich war also unser gemeinsames Ziel. Wir waren erfolgreich: Wir haben seinen Schadenersatz durchgesetzt. Und das ohne ein mehrjähriges Verfahren.
Eine eingebildete Kranke?
Wie eine Fehldiagnose mein Leben in neue Bahnen lenkte
W enn ich all diese Mandanten-Geschichten höre und die dazugehörigen Krankenakten lese, schwöre ich mir jedes Mal: Ich möchte niemals krank werden. Das scheint zu dem Beruf eines Arzthaftungsrechtlers zu gehören. Ich muss mir zuweilen immer wieder selbst in das Gedächtnis rufen, dass die Fälle meiner Mandanten die Ausnahme und nicht die Regel sind. Nun gut, mein Erstberuf, der der Ärztin, macht das auch nicht gerade besser. Ärzte sind bekanntlich schlechte Patienten.
Als schlimm habe ich insbesondere die Phase empfunden, in der ich Medizin studierte. In dieser Zeit lernt man all die schrecklichen Krankheiten kennen und beobachtet sich selbst ganz genau. Jedes Zipperlein fasst man als Symptom auf. Man hat den Überblick über alle Krankheiten, so umfassend wie am Ende des Studiums wird man später nie wieder Bescheid wissen. Und irgendetwas passt immer. Da kommt es vor, dass man vor dem Spiegel steht und einen Flecken auf der Haut für ein sicheres Zeichen von Hautkrebs hält. Fast jeder Medizinstudent fühlt sich irgendwann krank. Und so kam es, dass ich mich zum Ende meines Medizinstudiums unendlich elend fühlte. Ich hatte Schmerzen. Unerträgliche Schmerzen. Krämpfe durchzogen meinen Körper, ich spürte meinen Rücken. Ich versuchte mich zu diagnostizieren, zog
die Bücher der Orthopädie, der Inneren Medizin, der Gastro-, der Kardio- und der Infektiologie zurate, aber konnte nicht herausfinden, was mir fehlte. Ich verordnete mir selbst Schmerztabletten, aber die verbesserten meinen Zustand ebenfalls nicht. Einzig der Aufenthalt in der warmen Badewanne half. Nur dort konnte ich natürlich nicht ewig bleiben. Zu guter Letzt und am Ende mit meinem Latein entschied ich mich für das eigentlich Naheliegendste: Ich konsultierte einen Arzt. Eine folgenschwere Entscheidung, die mein zukünftiges Leben nachhaltig veränderte.
Irgendwie dachte ich die ganze Zeit an ein chirurgisches Problem, gestützt wurde diese Vermutung dadurch, dass die Mutter meiner besten Freundin eine gute Bekannte des Chefarztes einer Chirurgie war und ich sofort einen Termin bekam. Meine Freundin fuhr mich hin. Im Nachhinein sage ich, dass ich sie besser nicht mitgenommen hätte. Denn bereits der Weg in die Klinik war eine Mischung aus Schmerzen und Lachen. Sie versuchte sämtliche Gullis großzügig zu umfahren, um damit Erschütterungen zu vermeiden und mir weitere Schmerzen zu ersparen. Wir waren albern. Und ich nahm mich selbst auch nicht sehr ernst, weil ich mich eigentlich jung, topfit und gesund fühlte. Da passte der Schmerz so gar nicht dazu.
Herr Prof. Dr. Drossel war rothaarig, freundlich, mit einer leichten Arroganz in seinem Auftreten. Er sah mich, hörte kurz zu und erklärte, ohne dass er den Ultraschallkopf, seine Hände oder gar das Labor bemüht hatte, dass meine Beschwerden psychisch bedingt seien. Er hatte sich von meiner albernen Stimmung blenden lassen. Seine Diagnose hieß: Ich hatte eine Macke und somatisierte – die psychischen Beschwerden verursachten also meine körperlichen Schmerzen. Später sollte sich schließlich herausstellen: Diese Diagnose war vermeidbar fehlerhaft.
Meine liebe Freundin fuhr mich wieder heim. Die Beschwerden blieben. Ich stieg immer öfter in die warme Badewanne und blieb immer länger darin liegen. Nach einiger
Zeit sah ich
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