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Behandlungsfehler

Behandlungsfehler

Titel: Behandlungsfehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Konradt
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mich gezwungen, erneut einen Arzt aufzusuchen. Zum Glück hatte die Mutter meiner Freundin noch einen in ihrem Bekanntenkreis. Es war diesmal ein älterer, liebevoller Hausarzt. Er tat, was bereits Prof. Dr. Drossel hätte tun müssen. Er untersuchte mich. Seine Diagnose: Ich hatte Gallensteine, die Gallenblase hatte sich deshalb entzündet und als Reaktion darauf war nun auch die Bauchspeicheldrüse entzündet. Auf diese Idee war ich – trotz neun Semestern Medizinstudiums – nicht gekommen. Es passte einfach nicht. Ich gehörte nicht zur Risikogruppe, fand ich jedenfalls. Bis auf meine Eigenschaft, eine rothaarige Frau zu sein, hatte ich keine Risikofaktoren, kein Übergewicht, war noch zu jung und trank keinen Alkohol. Das passte nicht zu dem, was in den Büchern stand. Aber ich musste einsehen, dass der Arzt recht hatte und ich zügig etwas unternehmen sollte. Die Sterberate bei Patienten mit entzündeter Bauchspeicheldrüse liegt bei knapp 30 Prozent. So stand es in den Büchern und so ist es auch. Die Drüse produziert nämlich die Verdauungsenzyme, welche die Nahrung, die wir zu uns nehmen, zersetzen. Ist die Drüse entzündet, so kann es passieren, dass die Enzyme in die Bauchhöhle gelangen und dort die Organe angreifen. So kann ein tödlicher Kreislauf beginnen, bei dem die Bauchspeicheldrüse sich selbst zersetzt und dadurch immer weitere Schäden anrichtet.
    Ich musste mich operieren und meine Gallenblase inklusive ihrer Steine entfernen lassen. Aber wer sollte das machen? Die Komplikationen waren mir bekannt. Zu irgendeinem Arzt wollte ich nicht. Und zu Herrn Prof. Dr. Drossel hatte ich verständlicherweise kein Zutrauen.
    Außerdem hatte ich sehr klare Vorstellungen von der Operation. Ich wollte keinen großen Schnitt am Rippenbogenrand, sondern einen unauffälligen Schnitt, der nur eine dezente Narbe hinterließ. Ein Reiterfreund, der als Orthopäde niedergelassen war, empfahl mir einen Arzt, dem der Ruf vorausging, trotz kleiner Schnitte ein großer Chirurg zu sein. Ich vertraute dem Rat und vereinbarte einen Termin. Diesmal
begleitete mich meine Mutter. Ich wollte nicht schon wieder lachend erscheinen.

    Das war ein Mann! Ich erklärte ihm, dass ich nicht gewillt sei, künftig auf das Tragen von Bikinis zu verzichten. Er möge bitte einen etwa drei Zentimeter langen, senkrechten Schnitt machen, den er anschließend mit einer Spezialnaht, wie sie die Schönheitschirurgen verwenden – einer sogenannten Intrakutan-Naht – versehen möge, damit das Ganze am Ende gut aussieht. Das Zunähen dürfe er bitte nicht einem seiner Assistenten zur Übung überlassen, sondern das Werk selbst vollbringen. Ich schilderte ihm lang und breit, dass einer seiner Kollegen für meine Misere verantwortlich sei. Der hätte versäumt, seine diagnostischen notwendigen Möglichkeiten zu nutzen, und eine missliche Fehldiagnose gestellt. Die Angelegenheit, mit der ich mich nun schon lange herumgeplagt hatte, dürfe jetzt nicht mehr viel meiner Zeit in Anspruch nehmen. Ich hätte insgesamt vier Tage eingeplant.
    Der Chefchirurg hörte sich das alles schmunzelnd an und fragte, auf welchem Hochseil er denn für mich während der Operation am besten tanzen solle. Irgendwie beschlich mich der Eindruck, dass er mich nicht ganz ernst nahm. Aber ich mochte ihn sofort, mochte sein Lächeln, seine ruhige kompetente Art. Ich habe es nie zu ergründen versucht, woran es liegt, dass mein erster Eindruck von einem anderen Menschen im Allgemeinen zutrifft. Ich vereinbarte einen kurzfristigen Termin und kam aus der Sprechstunde mit den Worten: »Mutter, den Mann würde ich heiraten«, was ich auch später tat. Der Behandlungsfehler des ersten Arztes hatte für mich persönlich dennoch ein gutes Ende. Ohne ihn hätte ich vermutlich meinen späteren Ehemann nie kennengelernt.

    Ein Medizinstudium hat nicht jeder und nicht jeder kann dem Operateur sagen, wie er es machen soll. Und ganz ehrlich: Es sollte auch niemand brauchen, bloß weil er einmal krank werden und auf einen Arzt angewiesen sein könnte.
Man macht auch keine Elektrikerlehre, nur weil man sich vielleicht einmal ein Haus kaufen möchte und es Probleme mit der Elektrik geben könnte. Der Patient sollte seinem Arzt vertrauen und vertrauen können. Dass das immer seltener der Fall ist, erfordert ein Umdenken und viel Arbeit. Die Zeiten, als der Arzt gottgleich und der Patient gottergeben waren, sind vorbei.

    Was ein Verfahren kostet
    Manche Menschen sehnen sich nach Routine. Ich

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