Behandlungsfehler
erzielen zu können. Gelingt das nicht, gehen meine Bemühungen im gerichtlichen Verfahren weiter. Ich weiß, dass insbesondere meine ärztlichen Kollegen einen Vergleich als Niederlage oder Ärgernis erleben, weil sie diesen als ein Schuldanerkenntnis ansehen. Schließlich muss gezahlt werden und in der Zahlung liegt eine Anerkennung, dass etwas vermeidbar behandlungsfehlerhaft gewesen ist. Aus der Sicht des Juristen ist das nicht zutreffend. Indiziell kann dies daran erkannt werden, dass vor jedem Vergleich üblicherweise der Satz mit den folgenden Worten eingeleitet wird: »Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gezahlt.« Es wird bei einem Vergleich das Risiko abgewogen und eine Regelung getroffen. Mit einem Schuldanerkenntnis hat ein Vergleich insofern nichts zu tun. Vielfach ist der Vergleich die sachgerechte Lösung um einen Ausgleich für den Schaden zu schaffen.
In der Rechtswissenschaft ist gemäß Paragraf 779 BGB der Vergleich ein Vertrag zwischen den Parteien, durch den der Streit über ein Rechtsverhältnis im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Auch das Gericht versucht, die Parteien zu einem Vergleich zu bewegen. Das macht es nicht, wie von vielen angenommen,
weil es in diesem Fall kein Urteil schreiben muss, was aber natürlich auch einen angenehmen Nebeneffekt darstellt, sondern weil es Paragraf 278 Absatz 1 der Zivilprozessordnung so vorgibt: »Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein«. Der Kompromiss, wie im
täglichen Leben auch, stellt meist den besten Weg dar, eine Streitigkeit abzuschließen. Wenn man ihn außergerichtlich schließt, ist die Angelegenheit endgültig erledigt, schließt man ihn in einem gerichtlichen Verfahren, kann nicht in die Berufung gegangen werden. Der Rechtsstreit endet. Ref 10
Mit einem Vergleich ist die Angelegenheit endgültig abgeschlossen. Das längste von mir betreute Verfahren währte genau 20 Jahre nach dem Behandlungsfehler. Eine vergleichsweise Regelung konnte nicht erzielt werden, die Parteien hatten sich in ihre jeweiligen Rechtsauffassungen nahezu »verbissen«. Der Klägerin wurde ein Schadens- und Schmerzensgeld zugesprochen und die Beträge wurden über den Zeitraum verzinst. Da ist eine gute Summe zusammen gekommen. Zum Glück war die Geschädigte seinerzeit 13 Jahre alt, sodass die Klägerin das Geld auch noch gut verwenden konnte. Immerhin hatte sie mittlerweile geheiratet und Kinder.
Gerade in arzthaftungsrechtlichen Streitigkeiten stellt sich selten ein tragfähiges Gefühl von Recht und Unrecht, von Schwarz oder Weiß, von Gut oder Böse ein. Ganz egal wie das Verfahren endet. Es geht vielmehr immer um eine sachgerechte Lösung im Einzelfall. Das Arzthaftungsrecht ist eben vielfältig, gemustert, es ist gestreift, gepunktet und überwiegend sind es Grautöne, die bewertet werden müssen. Es stellt ein Konfliktfeld dar, das durch die Eingriffe in Leben und Gesundheit stark emotional geprägt ist. Ein Vergleich trägt dem Rechnung.
Gerade in den emotional geprägten Bereichen, wie dem Familien-, Erb- und Medizinrecht, nimmt die Mediation zunehmend in der anwaltlichen Tätigkeit Raum ein und wird häufig nicht nur im Vorfeld, sondern auch innerhalb des gerichtlichen Verfahrens angeregt. Die Mediation, die Vermittlung, stellt ein freiwilliges
Verfahren dar, das den Parteien die Möglichkeit bietet, unter der Vermittlung eines neutralen »Dritten«, des Mediators, eine Konfliktlösung in Form eines Vergleichs zu suchen.
Ich persönlich bin keine besondere Freundin der Mediation im arzthaftungsrechtlichen Bereich. Hinter meinem Gegner, dem Arzt, steht im Allgemeinen die Haftpflichtversicherung, die zahlt. Die Versicherungen werden sich, ohne eine entsprechende sachliche Grundlage zu haben, nicht einigen. Und wenn sie diese haben, so brauche ich kein Mediationsgespräch. Für ein erwünschtes Gespräch mit dem Arzt brauche ich keinen Mediator.
Auf einem Auge blind
Wenn wertvolle Zeit verstreicht, weil der Arzt einen Befund nicht erhebt
I ch kann auf dem linken Auge nicht mehr sehen.« Mit diesen Worten betrat Mathias Kaden meine Kanzlei. Völlig emotionslos sagte er das. Er hätte genauso gut sagen können: »Ich brauche noch ein Brot.« Es war merkwürdig. Mathias Kaden wirkte, als ginge es überhaupt nicht um ihn, als wäre die ganze Geschichte jemand anderem passiert. So als hätte sie ihn nicht seine Existenz gekostet. Als wäre alles nicht
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