Behandlungsfehler
die Frage: Gehen wir ins Klageverfahren? Der Gegner hat inzwischen seine Argumente vorgetragen, warum er meint, dass wir keinen Anspruch haben. Manchmal sind diese auch nicht von der Hand zu weisen. Letztlich entscheidet der Mandant, ob wir ein Klageverfahren anstreben oder nicht.
Sagt er ja, entstehen neue Kostenrisiken: In unserem Beispiel kommen zunächst die Gerichtskosten, die bei einem Streitwert von 37 000 Euro 1194 Euro betragen. Für den Sachverständigen sind wenigstens 2500 Euro zu veranschlagen. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens sowie der außergerichtlichen Gebühren muss die Gegenseite ersetzen, wenn wir den Prozess gewinnen.
Verlieren wir den Prozess, müssen meine Mandanten darüber hinaus noch die Rechtsanwaltskosten der Gegenseite erstatten. Das gesamte Kostenrisiko meiner Mandanten für die außergerichtliche Vertretung und die Klage in der ersten Instanz beträgt daher zwischen 10 000 und 12 000 Euro.
Eine Mandantin war fest davon überzeugt, dass der Arzt einen Fehler gemacht hatte. Sie erhob Klage. Der Gutachter bescheinigte den Fehler des Arztes, aber nicht in dem Maße, wie die Frau das ursprünglich unterstellt hatte. Sie hatte 30 000 Euro eingeklagt und bekam 15 000 Euro ausgeurteilt. Aber der Arzt war insolvent und hatte auch keine Haftpflichtversicherung. Bei ihm war nichts zu holen. Die Klägerin musste die gesamten Gerichts- und
die eigenen Anwaltskosten bezahlen sowie die Kosten für den Sachverständigen. Ohne Rechtsschutzversicherung, ohne Prozesskostenhilfe und ohne Prozesskostenfinanzierung kann das richtig bitter sein. Aber aus juristischer Sicht ist das folgerichtig, denn wer sonst sollte alles bezahlen? Der Staat? Das geht nicht. Zivilrecht ist Parteienrecht, die Parteien entscheiden über den Rechtsstreit. Der Kläger geht ins Verfahren, und wenn der Beklagte im Laufe des Verfahrens insolvent wird, trägt der Kläger das Risiko. Und das bedeutet: Suchen Sie sich aus, wen Sie verklagen. Sonst kann es passieren, dass Sie ein schönes Urteil erhalten, aber nichts davon haben, weil Sie am Ende nichts bekommen außer, dass Sie die »Zeche« zu bezahlen haben. Aber es besteht Hoffnung, denn immerhin: Das Urteil kann man 30 Jahre vollstrecken, und es besteht eine gewisse Chance, dass der Prozessgegner in der Zwischenzeit wieder zu Geld kommt.
Kostenrisiken
Aber zurück zu den normalen Abläufen. Wenn der Mandant einen Berechtigungsschein für das außergerichtliche Verfahren hat, hängt für den Anwalt viel davon ab, ob er sich mit dem Gegner einigen kann. Wenn nicht, das ist wichtig, bekommt er etwa 100 Euro brutto als Gebühr – unabhängig vom Streitwert. Wenn er erfolgreich ist, übernimmt der Gegner die Anwaltskosten in der üblichen, das heißt gesetzlichen Höhe nach dem RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz). Auch wenn man als Anwalt für einen Mandanten mit einer Prozesskostenhilfe in ein gerichtliches Verfahren geht, kann das Verhältnis zwischen Arbeit und Einnahme sehr ungünstig sein. Wenn ich so einen Prozess verliere, gehe ich mit 1200 Euro Brutto für vier Jahre Arbeit, die ich in einen aufwändigen Prozess investiert habe, nach Hause. Wenn ich gewinne, dann zahlt der Gegner auch hier meine ganz normalen Gebühren nach dem RVG.
Für den Mandanten, der Prozesskostenhilfe bekommt, ist wichtig zu wissen, dass der Prozess auch für ihn nicht ohne Risiko geführt wird. Verliert er, muss er in jedem Fall die gegnerischen gesetzlichen Anwaltskosten, bemessen nach dem Streitwert,
übernehmen. Hinzu kommt, dass das Gericht – bessern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten – noch vier Jahre nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe die Möglichkeit hat, die verauslagten Prozesskosten zurückzufordern.
Die Arbeit ist die gleiche, ob mit oder ohne Prozesskostenhilfe. Ich muss die Klageschrift erstellen. Und sagt das Gericht, »Sehr geehrter Kläger, besorgen Sie mal die Behandlungsunterlagen«, muss ich dann – das sind nette kleine Nebenbeschäftigungen – von allen Ärzten, die in den Fall involviert sind, die Behandlungsunterlagen anfordern. Zusätzlich dem Brief die Verfügung des Gerichts beilegen und die Ärzte von der Schweigepflicht entbinden und ihnen sagen: »Schicke die Unterlagen mal bitte zum Gericht und sei so freundlich und sage uns Bescheid, wenn du das gemacht hast.« Wir haben keine Eingangskontrolle. Das finde ich eine Katastrophe. Dann kommt die Klageerwiderung und man muss erneut erwidern. Im besten Fall nur einmal. Später kommt
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