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Behandlungsfehler

Behandlungsfehler

Titel: Behandlungsfehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Konradt
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Mediziner bei Veranstaltungen für Patienten. Gerade die Vorträge über diese Leiden sind am besten besucht. Das verwundert nicht, da die Lebensqualität ganz erheblich eingeschränkt wird, wenn da etwas nicht funktioniert. Der Stuhlgang am Morgen kann über den gesamten Verlauf des Tages entscheiden. Wenn er ausbleibt, so beeinträchtigt das nachfolgende Völlegefühl den Tag und das Wohlbefinden. Die vielfache Werbung für Produkte, die da Abhilfe versprechen, lässt auch erkennen, wie verbreitet derlei Probleme sind.
    Herr Schröder nahm die Beschwerden zum Anlass, zur Vorsorge zu gehen und sich einer Darmspiegelung zu unterziehen. Der Gastroenterologe entdeckte zwei kleine Polypen, die er entfernte. Er sah auch einen größeren Tumor im Enddarm, der jedoch zu groß war, um ihn gleich mit zu entfernen. Polypen sollten immer entfernt werden, da ansonsten ein bösartiges Krebsleiden daraus entstehen kann. Der Arzt nahm jedoch Gewebeproben aus diesem und ließ ihn zusammen mit den entfernten Polypen untersuchen. Sie waren gutartig. Klaus-Michael Schröder hatte geahnt, dass da etwas nicht stimmte und wurde darin bestätigt.
    Herr Schröder kam in bequemer Kleidung. Er wirkte auf mich wie ein friedliebender, positiver und großzügiger Mensch, der Rechtsstreitigkeiten lieber aus dem Weg geht. Aber das, was auf diese Untersuchung alles gefolgt war, sagte
er, das ginge zu weit. Sein Gerechtigkeitssinn habe rebelliert, da könne er nicht einfach so drüber hinweggehen.
    Herr Schröder hatte sich auf Anraten seines Hausarztes zur Behandlung in eine chirurgische Abteilung begeben, damit der große Polyp durch eine Operation entfernt werden konnte. Er vertraute darauf, dass man ihn dort von seinen Problemen befreien würde. Natürlich fachgerecht. Stattdessen ist aus dem kleinen Problem ein riesengroßes geworden, eins, das sein Leben aus den Angeln hob.
    »In fünf bis sechs Tagen sind Sie wieder fit wie ein Turnschuh!« , versprach ihm der behandelnde Arzt. Für Herrn Schröder, der das Extreme liebt, war das eine gute Nachricht. Er ist der Typ Mann, der die Enden der Welt erkundet und im Leben nichts auslässt. Nach Grönland im Norden und Mali im Süden war er schon gereist, war durch die Antarktis gelaufen, hatte das Hogga-Massiv in der Zentral-Sahara überquert und Kurse fürs Drachenfliegen besucht. Er träumte davon, bald in Rente zu gehen und mit einem selbstgebauten Boot Irland zu umrunden. Er trieb viel Sport und war in seinem Leben nie länger krank gewesen. Und er wollte, dass das so blieb.
    Der Arzt empfahl die Knopflochchirurgie: Durch ein kleines Loch schob er Stäbe in den Bauchraum, um tief im Mastdarm zu operieren. Er förderte zehn Zentimeter des Darmes zu Tage. Doch die Untersuchung des Präparats ergab: Der Tumor war nicht dabei. Er hatte tiefer gesessen, in einem Bereich, der durch die Operation nicht erfasst wurde. Der Arzt hatte versäumt, den Tumor vorab genau zu lokalisieren, sodass er ein weiteres, tiefer liegendes Darmstück wegnehmen musste, um den Tumor zu entfernen, den er entfernen wollte. Bei dem zweiten Versuch hatte er dann auch das befallene Stück in der Schale. Die beiden verbliebenen Enden des Darmes wurden miteinander verbunden. Jetzt musste Herr Schröder nur noch gesunden.
    Statt schnell wieder fit wie ein Turnschuh zu werden, bekam Herr Schröder hohes Fieber. Wenn der Arzt auf den Bauch drückte, tat das höllisch weh. Die Computertomografie
zeigte einen Abszess. Durch ein Loch in der Darmnaht war Stuhlgang in die Bauchhöhle gelaufen und hatte dort eine Eiterhöhle verursacht. Herr Schröder wurde ein weiteres Mal operiert, denn die Eiterhöhle konnte so nicht bleiben. Danach ging es ihm ein wenig besser. Aber längst noch nicht wieder richtig gut. Im Verlauf stellten die Ärzte zu ihrem Bedauern fest, dass der Darm nun zu eng geworden war.
    Der Mastdarm speichert den Stuhlgang und ist wie ein großes Reservoir, ohne ihn müssten wir laufend auf die Toilette, weil unser Körper ständig Stuhlgang produziert. Am Ende des Darms sitzt ein Muskel, der sogenannte Sphinkter. Er funktioniert wie ein sehr, sehr feines Ventil. Bei einem gesunden Menschen öffnet und schließt er zuverlässig. Wir können unterscheiden, ob da Luft kommt oder etwas Hartes. Wir können auch sagen: Es geht gerade nicht. Es gibt kaum etwas Faszinierenderes im menschlichen Körper als dieses System, dem wir so viel an Lebensqualität verdanken. Wenn es nicht funktioniert, haben wir ein Problem: Wir sind

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