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Behandlungsfehler

Behandlungsfehler

Titel: Behandlungsfehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Konradt
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    E s ist Wahnsinn, was sich aus einem scheinbar kleinen und harmlosen Eingriff alles entwickeln kann. Helmut Schlegel kann ein Lied davon singen. Eigentlich hat er alles richtig gemacht, hat sich gekümmert, als er ein Problem feststellte. Aber er ist zum falschen Arzt gegangen, vielleicht war er auch nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Wenn er an diesem Tag nicht zu diesem bestimmten Arzt gegangen wäre, wäre das alles nicht passiert und sein kleines Problem hätte sich vermutlich von selbst gelöst. Doch für diese Erkenntnis ist es leider zu spät. Bei Helmut Schlegel hat sich der Spruch: »Kleine Ursache, große Wirkung« auf dramatische Weise bewahrheitet. Nach dem Stuhlgang hatte Helmut Schlegel gelegentlich Blutflecken am Toilettenpapier festgestellt. Nicht immer, nicht viel, aber ein bisschen ab und zu. Und weil er viel über Darmkrebs gelesen hatte, dachte er, dass es besser wäre, das abklären zu lassen und ging zu einem Dermatologen. Das ist oft eine gute Entscheidung, da viele Dermatologen eine Zusatzausbildung für Proktologie, also Enddarmerkrankungen, haben. Die Untersuchung selbst war relativ unangenehm – in Hündchenstellung wurde Helmut Schlegel untersucht. Zum Glück dauerte sie nicht lange. Die Diagnose: eine kleine Hämorrhoide, welche die Blutungen wohl verursachte. Der Arzt schlug vor, die Hämorrhoide schnell zu veröden. Herr Schlegel blieb in Hündchenstellung.

    Die komplette Behandlung dauerte vielleicht drei Minuten, dann konnte Helmut Schlegel nach Hause gehen. Für ihn war das optimal.
    Er ist ein optimistischer, fröhlicher Mensch, der Probleme, wenn er welche hat, am liebsten schnell aus der Welt schafft und sich dann wieder den leichten und schönen Dingen des Lebens widmet. Mittlerweile ist er Ende 60. Aber das Wort langsam kommt immer noch nur sehr selten in seinem Wortschatz vor. Für ihn hätte das Leben so fröhlich und schnell weitergehen können, aber er wurde ausgebremst.
    Vier Tage nach der Behandlung ging es erneut schnell – Helmut Schlegel rief den Rettungsdienst und wurde mit Blaulicht in die Klinik gebracht. Er hatte irrsinnige Bauchschmerzen, Fieber, Schüttelfrost. Die Ärzte fanden ein pfennigstückgroßes Loch in der Darmwand. Der Darminhalt war in die untere Bauchhöhle gewandert und hatte dort eine Bauchfellentzündung und eine Sepsis, also eine Blutvergiftung, verursacht. Helmut Schlegel musste notfallmäßig operiert werden. Aufgrund dieses Zustandes und zum Schutz des übernähten Darmlochs wurde ihm zur Sicherheit ein künstlicher Darmausgang gelegt. Das macht man, damit kein Stuhlgang mehr in den Bauch gelangen und die Entzündung aufrechthalten kann. Den künstlichen Ausgang behielt er für sechs Monate. Dann musste er wieder ins Krankenhaus, in einer neuen Operation wurde der künstliche Ausgang entfernt.
    Leider stellten sich dann noch weitere Komplikationen ein – um genau zu sein: Helmut Schlegel hat kaum eine Komplikation ausgelassen. Das ging so weit, dass er schließlich auf der Intensivstation im künstlichen Koma lag. Im Anschluss daran litt er an einem Durchgangssyndrom. Das ist ein hirnorganisches Psychosyndrom, was öfter nach einer Operation in Extremsituationen auftritt, insbesondere bei Patienten auf der Intensivstation. Woher es kommt, weiß man nicht. Das Gehirn schaltet einfach zwischendurch ab. Am ehesten zu vergleichen ist es mit einem Delirium. Viele Patienten erzählen dann sehr wirre Sachen.

    Ich hatte einmal einen Patienten, der meinte, die Fahrstühle reparieren zu wollen – mit dem Ergebnis, dass im Neuköllner Krankenhaus der von ihm reparierte ausfiel, weil die Reparatur nicht wirklich erfolgreich war. Die Patienten sind dann nicht mehr klar im Kopf, erkennen ihren Ehepartner zuweilen nicht mehr und können auch äußerst sexistisch werden. Zuweilen sehr zum Leidwesen mancher Krankenschwestern. Aber das geht Gott sei Dank mit Besserung der Erkrankung auch wieder vorbei. So manch eine Ehefrau hat sich in solchen Fällen schon gefragt, ob das denn noch der Mann ist, denn sie einst heiratete, mit dem sie nunmehr seit 28 Jahren zusammenlebt und Kinder hat.

    Das ganze Weihnachtsfest verbrachte Helmut Schlegel in der Klinik – zwei geplante Urlaubsreisen musste er absagen. Ein Narbenbruch folgte kurze Zeit später, weshalb ein Stück Dünndarm operativ entfernt werden musste. Die Narbe verheilte insgesamt schlecht und sieht noch heute unschön, groß und wulstig aus. Durch die Narben und Verwachsungen infolge der

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