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Behandlungsfehler

Behandlungsfehler

Titel: Behandlungsfehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Konradt
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umfassend aufgeklärt zu haben. Hier sah ich eine Chance. Doch eben nur, wenn auch das Gericht unserer Einschätzung folgen und die Operation als Schönheitsoperation sah. Sollte das Gericht aber von einer medizinisch notwendigen Operation ausgehen, hätten wir weit weniger Chancen, vielleicht auch gar keine. Denn dann hätte der Arzt in puncto Aufklärung vielleicht alles richtig gemacht. Im Ergebnis könnten wir dann die beiden Operationen nicht als rechtswidrig darstellen. Frau Kettler würde kein Schmerzensgeld bekommen.
    Aber es gab noch andere Punkte. In den Unterlagen stand ganz klar, dass der Arzt Körbchen B/C avisierte. War das bei Frau Kettler überhaupt möglich? Ein Gutachten sollte Klarheit bringen. Das Ergebnis war für uns eindeutig: Bei einer Brustform wie der von Frau Kettler war eine Apfelform rein technisch nicht möglich, weil die Basis der Brust nicht verändert werden konnte. Höchstens Birne war machbar. Aber das hatte der Arzt ihr nicht gesagt. Doch auch bei diesem Punkt kam es darauf an, ob das Gericht den Fall als Schönheitsoperation sehen oder als medizinische indizierte Operation anerkennen würde. Ich erklärte Frau Kettler, dass ich nicht sicher war, ob wir im Falle einer Klage gewinnen würden. Sie entschied, den Kampf trotzdem aufnehmen zu wollen.

    Der dritte Punkt allerdings war eindeutig. Das Octenisept hätte niemals in die Wunde eingebracht werden dürfen. Das wusste ich sofort, als ich es las. Hier war der medizinische Standard verletzt. Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit einen ähnlichen Fall verhandelt. Mit Octenisept dürfen keine Höhlen und tiefere Wunden behandelt werden, wenn der vollständige Abfluss dieses lokalen Antiseptikums nicht gewährleistet ist. Sonst führt es häufig zu einer allergisch-toxischen Reaktion und es kann zu einem Gewebeuntergang, zu absterbendem Gewebe kommen. Bereits 2008 hat der Hersteller vor dieser Nebenwirkung gewarnt und über 70 000 Warnhinweise verschickt. Das heißt, der Hersteller verhielt sich völlig korrekt. Das Problem ist nur, dass manche den Hinweis bis heute nicht gelesen haben, offensichtlich auch dieser Arzt nicht. Die allergisch-toxischen Reaktionen des Gewebes ähneln der einer Entzündung und sind weder histologisch noch klinisch abgrenzbar. Das bereitete uns ein neues Problem, denn um die Kausalität zu beweisen, mussten wir aufzeigen, dass das Octenisept die Komplikation, die dicken geschwollenen und überwärmten Brüste, verursacht hatte und nicht ein Keim. Und das war wiederum unmöglich.
    Wir hatten außergerichtlich alles versucht, aber uns nicht einigen können. Ein Vergleich war mit dem Arzt beziehungsweise mit seiner Haftpflichtversicherung nicht möglich. Er hatte sich ganz auf die medizinische Indikation versteift und seinen Fehler beim Einsatz von Octenisept ausgeblendet. Er beharrte darauf, alles richtig gemacht zu haben.
    Unsere einzige Hoffnung war die Umkehr der Beweislast. Wenn das Gericht aufgrund der Aussagen des Sachverständigen von einem groben Behandlungsfehler ausgehen würde, müssten nicht wir den Beweis erbringen, sondern der Arzt würde beweisen müssen, dass es auch ohne Octenisept zu einer solchen Reaktion gekommen wäre – und das wäre vermutlich ebenso unmöglich. Ich war zuversichtlich und hielt es für ziemlich wahrscheinlich, dass die Richter den Behandlungsfehler als grob bewerten würden.

    Die Verhandlung, in der wir uns befanden, dauerte mehrere Stunden. Gut, es war auch Raum für ein Schmunzeln, als wir alle versuchten, mit den Körbchengrößen Transparenz zu schaffen.
    Doch am Ende haben Frau Kettler und ich in vielen Punkten verloren, vor allem in dem Punkt, auf den es ihr ankam: Die Richterin entschied, dass es sich um keine Schönheitsoperation im klassischen Sinne handelte. Und damit war der Punkt der fehlenden Aufklärung direkt vom Tisch. Dann ging es um die Reduktion. Der Arzt hatte rechts und links beinahe ein Kilo weggenommen. Er konnte damit argumentieren, er habe die Brüste verkleinert, ihr Gewicht reduziert. Dass er die Brüste nun nicht in die Form gebracht hat, wie die Mandantin das wollte – gut –, da hat er sich dann mit der medizinischen Indikation gerettet. Damit lag das primäre Augenmerk auf der Verkleinerung und nicht mehr auf der Form. Sein Versprechen, dass meine Mandantin ihre Äpfel bekommt, zählte nun nicht mehr. Auch nicht, dass sie die zweite Operation niemals hätte machen lassen, wenn sie vorher gewusst hätte, dass ihr Traum auch mit dieser

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