Behemoth - Im Labyrinth der Macht
Stimme vom Schock immer noch zitterte.
»Sicherlich. Aber er ist nicht mehr der Gleiche, seit er in den Palast zurückgezogen ist. Die Deutschen haben dort so viel verändert. Nicht alle von uns sind damit einverstanden.«
Deryn runzelte die Stirn und hätte am liebsten geschildert, was sie bei dem Automaten beobachtet hatte. Aber das war unmöglich, solange der engste Berater des Sultans dabei stand.
Die mechanische Eule hockte immer noch auf der Schulter vom Kizlar Agha, doch der Zylinder in der Brust drehte sich nicht mehr. Vielleicht handelte es sich um eine Art Aufzeichnungsgerät, das der Mann abgeschaltet hatte, damit sein Worte geheim blieben.
»Wollen Sie sagen, er könnte seine Meinung über die Geschenke des Kaisers ändern?«, erkundigte sich Dr. Barlow vorsichtig.
Der Kizlar Agha breitete die Hände aus. »Das weiß ich nicht, Madam. Aber unser Reich hat in den letzten zehn Jahren zwei Kriege geführt und dazu mussten wir eine verfluchte Revolution überstehen. Deshalb möchten sich manche bei uns nicht an diesem europäischen Wahnsinn beteiligen.«
Dr. Barlow nickte. »Dann können Sie nur beten, dass man auf Ihre Stimme hören wird.«
»Wir bemühen uns. Friede sei mit Ihnen und mit uns allen«, sagte er, verneigte sich und kehrte zum Bug des Luftschiffes zurück.
»Wie interessant«, sagte Dr. Barlow, als er sich entfernte. »Vielleicht besteht doch noch Hoffnung für dieses Land.«
»Was genau meinen Sie damit?«, fragte Deryn.
»Vielleicht plant er, seinem Herrscher einen guten Rat zu geben.« Sie zuckte mit den Schultern. »Oder vielleicht wird er noch weitergehen. Es wäre nicht der erste Sultan, der durch einen anderen ersetzt wird.«
Deryn wandte sich wieder der Reling zu, und plötzlich waren sie da unten – die Goeben und die Breslau ankerten am Goldenen Horn.
»Der Admiral hat nicht gelogen«, sagte sie, als sie die rote Flagge der Osmanen an den Masten der Panzerschiffe flattern sah. »Sie müssen sich gestern im Schwarzen Meer versteckt haben.«
»Ich hätte es wissen sollen«, sagte Dr. Barlow. »Diese Schiffe saßen in der Falle und waren für die Deutschen wertlos. Warum sie also nicht zur Bestechung einsetzen?«
»Aye, und wo wir gerade von Bestechung sprechen …« Deryn schluckte und getraute sich beinahe nicht zu fragen. »Wollen Sie tatsächlich die Leviathan verschenken? Sie hat doch nicht der brüllende Wahnsinn gepackt, oder?«
Dr. Barlow sah sie schief von der Seite an. »Machen Sie sich nicht lächerlich, Mr Sharp. Das ist lediglich eine List, damit wir uns hier länger aufhalten dürfen. Was Sie doch sofort begriffen hatten, denn Sie haben Ihre Rolle hervorragend gespielt. Vier weitere Tage können für uns von enormem Nutzen sein.«
Deryn runzelte die Stirn. Ihre Rolle gespielt? Dabei hatte sie einfach nur gesagt, was ihr als Erstes durch den Kopf geschossen war. »Aber wenn wir den Osmanen das Schiff nicht überlassen, wozu sollen wir länger hierbleiben?«
»Also, nun, Mr Sharp«, sagte Dr. Barlow und ihre Stimme klang wieder stahlhart. »Glauben Sie etwa, ich würde eine Reise quer durch Europa unternehmen, ohne einen Plan B im Gepäck zu haben?«
»Und dies ist Ihr Plan, Ma’am? Dem Sultan falsche Versprechungen zu machen, damit er noch wütender wird?«
»Wohl kaum.« Dr. Barlow seufzte. »Die Entscheidung des Sultans dürfte längst gefallen sein, so oder so. Das Osmanische Reich befindet sich bereits in deutscher Hand.«
»Aye, das dürfte richtig sein«, sagte Deryn. »Und à propos Hände: Ich glaube, der Sultan wollte das Ei tatsächlich nicht zerquetschen.«
Dr. Barlow warf Deryn einen kalten Blick zu. »Wollen Sie damit andeuten, dass mein Lebenswerk durch Missgeschick zerstört wurde?«
»Nicht durch Missgeschick, Ma’am. Aber der Sultan hat die Hand nicht zur Faust geballt. Er hat bloß auf das Ei gezeigt, und dann hat der Automat Ihr armes Tierchen ganz von allein zermatscht.«
Dr. Barlow schwieg einen Moment lang und nickte schließlich. »Natürlich. Ich bin ein Idiot! Dieser Thronsaal wurde von deutschen Ingenieuren konstruiert, und die hatten also die Kontrolle, nicht der Sultan. Sie haben seine Hand sozusagen dazu gezwungen.«
»Aye.« Deryn schaute wieder hinunter zum Wasser. Die Stambul hatte die Wende beendet und die Goeben blieb in der Ferne zurück. Immer noch erkannte Deryn die bedrohliche Form der Tesla-Kanone, deren Streben von flatternden Seevögeln umlagert wurden. »Ich frage mich nur, wozu sie die Hand
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