Behemoth - Im Labyrinth der Macht
Name nicht verkehrt. Wie ist es mit Hans?«
»Aber ich heiße Hans, Hoheit.«
»Ach ja, natürlich.« Alek räusperte sich und fragte sich, ob er Korporal Bauers Vornamen überhaupt gewusst hatte. Vielleicht hätte er ihn vorher danach fragen sollen. »Dann eben Fritz.«
»Ja, Hoheit. Ich meine, ja, Fritz«, verbesserte sich Bauer, und Alek bemerkte, wie Klopp langsam den Kopf schüttelte.
So viel dazu, wie man sich als normaler Mensch benimmt.
Das Hotel lag in der Nähe des Großen Basars, des größten Markts von Konstantinopel, und die Straßen waren an diesem Abend mit Menschen überfüllt. Alek und Bauer ließen sich mit der Menge treiben und suchten nach einem Ort, wo sich deutsche Arbeiter versammelten und schwatzten.
Bald spazierten sie durch den Basar, durch dieses von Gaslaternen erhellte Labyrinth, das aus Geschäften unter einer hohen Gewölbedecke bestand. Die Ladenbesitzer priesen lautstark und in einem halben Dutzend Sprachen ihre Waren an: Lampen, Leinen, Teppiche, Seide, Schmuck, Leder und Maschinenteile. Mechanische Esel drängten sich durch die Menschen und auf ihren dampfenden Motorblöcken brieten Maronen und Fleischspieße. Verschleierte Frauen saßen in Sänften, die von mechanischen Beinen getragen und von wachsamen Dienern begleitet wurden.
Alek erinnerte sich an das erste Mal, als er sich verkleidet auf dem Markt von Lienz unter das gemeine Volk gemischt hatte. Damals war ihm vom Gedränge und dem Geruch übel geworden. Aber im Großen Basar fühlte er sich wie in einer anderen Welt: Der Geruch von Kumin und Paprika und Rosenwasser vermischte sich mit dem stechenden Tabakrauch aus den blubbernden Wasserpfeifen. Jongleure stritten sich mit Wahrsagern und Musikanten um ihren Platz, während winzige mechanische Läufer auf einer ausgebreiteten Decke vor einem Mann im Schneidersitz tanzten und die Zuschauer begeistert klatschten.
Der Mann an der Hotelrezeption hatte gesagt, es sei der heilige Monat, und die Muslime der Stadt würden von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang fasten. Jetzt, nach Einbruch der Nacht, schienen sie das Versäumte nachholen zu wollen.
»Viele Deutsche sind hier nicht unterwegs«, sagte Bauer. »Glauben Sie, in dieser Stadt gibt es ein Bierlokal?«
»Ich weiß nicht, ob die Osmanen eine Vorliebe für Bier haben.« Alek deutete auf einen Jungen, der ein Tablett mit leeren Glastassen trug. »Das da sieht mir eher nach Kaffee aus.«
Er hielt den Jungen an und zeigte auf das Tablett. Der Junge nickte und winkte sie mit sich. Er flitzte durch die Menge los und wartete dann ungeduldig, bis Bauer und Alek ihn eingeholt hatten.
Bald hatte er sie zu einem großen Lokal am Rand des Marktes geführt. Der Geruch von Schokolade und Kaffee und schwarzem Tee strömte aus der Tür und unter der Decke hingen Schwaden von Tabakrauch.
Während Alek dem Jungen eine Kleinigkeit für seine Mühe gab, sagte Bauer: »Ich denke, wir haben genau das Richtige gefunden, Hoheit.«
Alek sah auf. An der Markise flatterten die Freundschaftsflaggen des Kaisers und man hörte ein gegröltes deutsches Trinklied.
»Der Junge hat uns gleich als Mechanisten erkannt.« Alek seufzte. »Passen Sie gut auf, und Schluss jetzt mit Hoheit . Denken Sie daran, Hans?«
»Tut mir leid … Fritz.«
Alek zögerte an der Tür, denn angesichts so vieler deutscher Stimmen lief es ihm kalt den Rücken hinunter. Allerdings hatten ihn die Luftschiffe des Kaisers auch auf einem Berggipfel in den Alpen gefunden. Vielleicht war es sogar sicherer, den Feind in Sichtweite zu haben.
Er straffte sich und trat ein.
Die meisten Männer in dem Lokal schienen deutsche Ingenieure zu sein. Manche trugen sogar ihren Mechaniker-Overall, der mit Motorfett von der täglichen Arbeit verschmiert war. Alek fühlte sich in seinen neuen türkischen Kleidern fehl am Platze.
Er fand mit Bauer einen freien Tisch und bestellte Kaffee bei einem jungen Turbanträger, der hervorragend Deutsch sprach.
Während der Junge davoneilte, schüttelte Alek den Kopf. »Ob die Osmanen nun in den Krieg eintreten oder nicht, die Deutschen haben das Land längst fest im Griff.«
»Und man sieht auch den Grund.« Bauer zeigte zu der Wand hinter ihnen.
Alek drehte sich um. Dort hing ein Plakat an der Wand, und zwar genau die Art tumbe Propaganda, die sein Vater stets verabscheut hatte. Unten sah man eine gezeichnete Stadt, die mit Istanbul beschriftet und mit Dampfrohren und Eisenbahnschienen überhäuft war. Die Stadt befand sich am Bosporus, und
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