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Behemoth - Im Labyrinth der Macht

Behemoth - Im Labyrinth der Macht

Titel: Behemoth - Im Labyrinth der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Keith; Westerfeld Andreas; Thompson Helweg
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sagte Dr. Barlow. »Wir haben uns die Osman nur geliehen, weil wir sie so dringend brauchen. Britannien steht im Krieg – und Euer Reich lebt im Frieden, was hoffentlich so bleiben wird.«
    »Auch der Frieden hat seine Bürden.« Der Sultan verschränkte die Arme und die Statue folgte seinem Beispiel.
    Deryn passte jetzt genauer auf und bemerkte, dass die Bewegungen der Maschine ein wenig steif wirkten, wie die eines Seemanns, der zu viel Rum getrunken hat und nun versucht, nüchtern zu erscheinen. Um die Illusion vielleicht zu unterstützen, bewegte sich der Sultan langsam und bedächtig wie ein Schauspieler bei einer Pantomime. Deryn fragte sich, ob er den Automaten selbst steuerte oder ob in einem verborgenen Kämmerchen Ingenieure hockten, ihn beobachteten und mit den Händen Hebel und Schalter bedienten. Wenn man so über seine Innereien nachdachte, verlor der Apparat einiges von seiner Bedrohlichkeit.
    »Gewiss tragt Ihr große Sorgen auf Euren Schultern, Erhabener Sultan.« Dr. Barlow schaute zur Eierkiste. »Und wir hoffen, diese Tierschöpfung, mag sie auch noch so bescheiden sein, wird Euch eine willkommene Ablenkung davon bieten.«
    »Die Deutschen schenken uns Eisenbahnen, Luftschiffe und Funktürme«, erwiderte der Sultan. »Und diesen herrlichen Mekanzimat . Sie bilden unsere Soldaten aus und warten unsere Maschinen. Sie haben diesen Palast wieder aufgebaut und uns geholfen, die Revolution vor sechs Jahren niederzuwerfen. Und Ihr König bietet uns ein wenig Ablenkung an?«
    Der Sultan deutete auf die Eierkiste, und der Automat streckte die Hand durch den Raum aus und erzeugte dabei einen leichten Wind, der Deryn über die Haare strich. Sie zog den Kopf ein und fragte sich, wie viel Kraft diese Riesenfinger wohl besitzen mochten.
    Dr. Barlow ließ sich nicht aus der Fassung bringen. »Vielleicht ist es ja nur ein Anfang«, sagte sie und neigte den Kopf ein wenig tiefer. »Aber wir bieten Euch dieses Geschenk in der Hoffnung auf eine glücklichere Zukunft an.«
    »Ein Geschenk? Nach so vielen Demütigungen?« Der Sultan betrachtete erneut das Ei. »Vielleicht wurden wir schon zu lange von Ihren Geschenken abgelenkt.«
    Plötzlich umschlangen die riesigen Finger die Kiste und schlossen sich darum zur Faust. Als das Holz zersplitterte, hallte das Krachen von den Wänden wider, und die Bruchstücke flogen wie Streichhölzer in alle Richtungen. Das Ei platzte mit ekligem Knacken und eine klebrige Masse troff zwischen den Metallfingern hindurch. Während sie sich auf dem Boden sammelte, gesellte sich der Geruch von Schwefel zu dem der brennenden Kohlen und dem Weihrauch.
    »Ein zerquetschtes Geschenk.«
    Dr. Barlow stockte vor Schreck der Atem, und Deryn starrte die geschlossene Faust mit großen Augen an, ehe sie zum Sultan blickte. Eigenartigerweise wirkte der Mann selbst überrascht, als habe er gar nicht begriffen, was er getan hatte. Natürlich hatte er es ja auch gar nicht getan – es war der Automat gewesen.
    Deryn betrachtete die ausgestreckte Hand des Sultans. Sie war immer noch geöffnet und deutete lediglich auf die Eierkiste. Der osmanische Herrscher hatte keine Faust geballt …
    Ihr Blick schweifte durch den Raum. Der Kizlar Agha und die Männer, die die Eierkiste getragen hatten, wirkten ebenfalls erstaunt, und darüber hinaus hielt sich niemand im Thronsaal auf. Dann entdeckte sie eine Galerie hinter dem Kopf der Statue. Sie war mit Gitterfenstern abgetrennt, und einen Moment lang meinte Deryn, Augen zu sehen, die zwischen den Stäben hindurchschauten.
    Sie sah Dr. Barlow an und versuchte, sie auf die offene Hand des Sultans aufmerksam zu machen. Aber die Wissenschaftlerin war blass geworden und stand stocksteif da. Angesichts des zerbrochenen Eies hatte sie die Fassung verloren.
    »Ich verstehe, Erhabener Sultan, dass ich zu spät gekommen bin.« Trotz ihrer erschütterten Miene klang ihre Stimme hart wie Stahl.
    Offensichtlich entging das auch dem Sultan nicht. Er räusperte sich leise, ehe er sprach. »Vielleicht nicht, Dr. Barlow.« Er legte seine Handflächen aneinander, doch der Automat verharrte reglos. Die Riesenhand umschloss weiter das zerdrückte, auslaufende Ei. »In gewisser Weise wurde die Sache bereits wieder ausgeglichen.«
    »Wie darf ich das verstehen?«
    »Erst heute ist es uns gelungen, einen Ersatz für das Schlachtschiff zu finden, das Sie sich von uns ›geliehen‹ haben. Und dieser Ersatz umfasst zwei Schiffe anstelle von nur einem.« Der Sultan lächelte.

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