Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
angenommen.
»Nicht schon wieder!«
»Was schon wieder?«
»Schon wieder Prügelei.«
Sobald Behzat Ç und Eda auf den Korridor getreten waren, schloß Vahap die Tür hinter ihnen ab. Rund dreißig Männer mit Eisenstangen benutzten den Flur als Schlachtfeld. Behzat Ç verstand nicht ganz, was vor sich ging. Als er sah, wie vor einem Seminarraum Eisenstangen und Handbeile in die Luft fuhren und sich gen Boden senkten, rannte er in jene Richtung.
Acht Männer umringten einen Studenten, der auf dem Boden lag. Einige versetzten ihm Tritte, andere schlugen mit Eisenstangen auf ihn ein. Er stieß einen der Männer beiseite und knallte einen zweiten gegen die Wand. Als ihn eine kräftige Hand an seiner Schulter zerrte, drehte er sich um und stand Auge in Auge mit einem Mann, der im Begriff war, mit seinem Handbeil auf ihn einzuschlagen. Doch als er Behzat Ç sah, hielt er inne. Einen Augenblick lang froren die beiden ein, als posierten sie für eine Fotoaufnahme. Irgendwoher kannte er diesen Fettwanst mit der Brille, aber in der Panik des Augenblicks fiel ihm nicht ein, woher.
»Polizei«, brüllte er, »sofort alles auseinander!«
Der Mann mit dem Handbeil zog sich zurück, die anderen taten es ihm nach und stellten sich in einiger Entfernung von dem am Boden Liegenden auf. Noch während des Rückzuges trat einer von ihnen dem Studenten mit voller Wucht gegen den Kopf. Noch einmal schrie Behzat Ç: »Polizei! Auseinander, ihr Säcke!«
Sofort rief einer aus der Gruppe: »Ich dachte, Polizisten wären Staatsdiener. Aber du legst dich hier für Terroristen ins Zeug!«
Ein anderer: »Immer schön schützen. Wir Nationalgesinnten kriegen nur den Schlagstock ab, aber für die Terroristen gibt es Menschenrechte!«
Der bebrillte Fettwanst verpaßte einem der Agitatoren einen Hieb in den Nacken, drehte sich um und rannte den Korridor entlang. Die anderen folgten ihm. Ein Mädchen mit orangefarbenem Haar, das der Meute entgegenkam, riß voller Panik ein Fenster auf und schrie aus vollem Halse. Der Anführer gab ihr im Vorbeilaufen eine Ohrfeige und brüllte: »Halt’s Maul, Schlampe!« Die Frau fiel zu Boden, schrie weiter und versuchte, mit den Händen ihren Kopf zu schützen, um von den Tritten, die auf sie einprasselten, möglichst wenig Schaden zu nehmen.
Behzat Ç und Eda beugten sich über den am Boden liegenden Jungen. Er war vielleicht achtzehn Jahre alt, dunkelhaarig und hatte spärlichen Bartwuchs. Blut rann aus einer Wunde hinter seinem Ohr.
»Ich hab nichts«, sagte er ängstlich.
Behzat Ç hob den Kopf des Jungen vom Boden und preßte die Wunde hinterm Ohr zu.
»Guck mal, ob dieser Vahap Mullbinden oder sowas hat!«
Eda lief zu Vahaps Büro und rüttelte an der Tür: »Es ist zugeschlossen.«
»Wie?«
»Er hat abgeschlossen.«
Von draußen hörte man Sprechchöre, dann das Splittern weiterer Scheiben. Er schaute auf den Hof. Dort, wo noch vor zehn Minuten Schneebälle geflogen waren, hagelte es jetzt Steine. Ein Student, der stark aus einer Wunde an der Hand blutete, kauerte sich neben Behzat Ç.
»Was ist dir passiert?«
»Sie haben mir mit der Axt auf die Hand geschlagen.«
Er hatte eine klaffende Schnittwunde, die quer über seine Handfläche verlief.
»Na, besser als auf den Kopf.«
Eda rüttelte noch an anderen Türen, aber sämtliche Dozenten hatten ihre Büros von innen verriegelt. Ein Dutzend Studenten kam herbeigerannt und umringte den am Boden liegenden. Da Behzat Ç wieder nicht verstand, was vor sich ging, faßte er den Jungen am Arm und ließ ihn nicht los. Jemand stieß gegen seine Schulter und schrie: »Verpiß dich, du Fascho!«
Wankend stand er auf und schaute sich um; der Gang war jetzt gedrängt voll. Er suchte denjenigen, der ihn beleidigt hatte, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Ein Mädchen mit wilden Locken herrschte ihn an: »Was glotzt du so, Bullenschwein?«
»Macht, daß ihr wegkommt, und zwar schnell!«
»Mörder!«
Ein Stein flog über seinen Kopf hinweg, direkt in die Fensterscheibe hinter ihm. Unterdessen schulterte ein stämmiger Junge aus der Menge seinen verletzten Freund und entfernte sich im Laufschritt.
Vor dem Haupteingang wischte er sich die Hände an einem weiteren feuchten Tuch ab, das ihm Eda gegeben hatte. Eine Hundertschaft Sondereinsatzkommandos hatte sich mit Gasmasken bewehrt und war kurz davor, das Gebäude zu stürmen. In einer Ecke stand auch Aybars, mit einem seltsamen, dreisten Grinsen auf dem Gesicht, und gab über Funk Befehle an
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