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Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Titel: Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emrah Serbes
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professionelle Hilfe bekommen würde. Aber wenn Yunus sie schon auf eine Privatuniversität schickte, würde er sicher auch genug Geld aufbringen, um sie als Privatpatientin in solide Behandlung zu geben. Der Gedanke an Yunus und seinen Wohlstand regte ihn auf, was sich sofort auf seinem Gesicht abzeichnete. Seine Wangen zogen sich unkontrolliert zusammen.
    »Bist du Bulle?«
    Er schaute die Frau mit dem zuckenden Fuß an.
    »Woher weißt du das?«
    »Du siehst so aus. Und bist so voll ungeduldig. Erst bin ich dran, renn da bloß nicht vor mir rein. Eilig haben wir’s alle.«
    Er wußte nicht, was er der Frau antworten sollte, die jetzt ihren Fuß stillhielt und anfing, ihr Haar um einen Finger zu wickeln. Er begnügte sich mit einem Lächeln. Außerdem mußte er aufs Klo.
    »Wo kann ich mir hier die Hände waschen?«
    »Mußt du aufs Klo?«
    »Ja.«
    »Den Gang runter, dann links, erste Tür rechts.«
    »Danke.«
    »Warum hast du gesagt, du willst dir die Hände waschen, obwohl du aufs Klo mußt?«
    Sie gehörte definitiv zu den Menschen, mit denen er nicht fertig wurde. Er folgte dem beschriebenen Weg. Als er am Ende des Korridors angelangt war, rief die Frau: »Mußt du groß oder klein?«
    Er quittierte die Frage mit einem Seufzer.
    Selbst auf der Toilette roch es nach Reinigungsmitteln. Vor dem Pissoir öffnete er seinen Reißverschluß. Sein Pimmel war von der Kälte schrumpelig klein; er mußte ihn ein paar Mal schütteln, bis er konnte. Vor dem Spiegel warf er sich mehrere Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht. Hinter den Geheimratsecken waren vereinzelte graue Haare auszumachen. Das Mädchen vor dem Sprechzimmer war zwar ein bißchen unverschämt, aber sie hatte ihn auf den ersten Blick durchschaut. Falls sie Betül gekannt haben sollte, könnte sie ihm mit Bestimmtheit sagen, ob sie Selbstmord begangen hatte oder nicht.
    Sobald er wieder um die Ecke bog, winkte ihm die seltsame, aber freundliche Frau vom anderen Ende des Korridors zu. Als er zu ihr kam, hielt sie ihm einen Plastikbecher hin.
    »Ich hab dir einen Kaffee geholt. Du siehst übernächtigt aus.«
    »Danke.«
    Er setzte sich neben sie, und obwohl er Nescafé in Plastikbechern haßte, trank er ohne Widerrede. Das Koffein tat gut.
    »Wie heißt du?«
    »Şule, Jale, Berna oder Selma… Was ist dir lieber?«
    »Berna heißt meine Tochter.«
    »Warum hast du dich von deiner Frau getrennt?«
    Er starrte sie verwundert an; dabei war es nichts, was sie nicht hatte herausfinden können. Sie machte mit ihren Augenbrauen eine Geste in Richtung seines Ringfingers.
    »Weiß ich selber nicht.«
    »Ach komm. Warum so verkrampft? Kannst du einem Menschen, den du gerade kennenlernst, nichts über dich selbst erzählen? Ich erzähle immer den erstbesten Leuten meine gesamte Lebensgeschichte.«
    »Warum?«
    »Darum. Ich finde, es gibt da kein Warum. Wenn du meine Ärztin fragst, wird sie dir sagen, ich sei gerade in meiner manischen Phase. Aber das ist Küchenpsychologie. Ich bin halt so. Erst wollen sie uns glauben machen, daß wir krank sind, wenn wir mal zu wem nett und offen sind. Und wenn wir darauf reinfallen und uns verhalten wie alle anderen auch, also richtig stumpf, dann gelten wir als genesen.«
    Bei genauerem Hinsehen fiel ihm auf, daß die junge Frau ihn ein wenig an Berna erinnerte. Und ein wenig an… Genau… Die Leiche von heute morgen. Sofort verscheuchte er den Gedanken. Sie verschluckte beim Sprechen Silben und ganze Worte, ihre durch den Raum tanzenden Sätze prallten manchmal zusammen, brachen in der Mitte auseinander und verloren ihre Bedeutung. An einer Stelle machte sie eine Pause, um Atem zu holen, und sah ihn zweifelnd an. Unvermittelt fragte sie: »Was glaubst du, warum nimmt ein Mensch sich das Leben?«
    »Weil er viele Feinde hat, einschließlich seiner selbst.«
    »Das ist geschummelt. Du hattest die Antwort schon vorher parat.«
    »Stimmt.«
    »Denk nochmal nach. Findest du wirklich, daß es so simpel ist?«
    »Vielleicht ist es das nicht. Aber es trifft auf alle Selbstmordfälle zu, mit denen ich zu tun hatte.«
    »Wie viele waren es denn?«
    »Um die hundert, einschließlich derer, die nur als Selbstmord getarnt waren.«
    »Bist du bei der Mordkommission? Bist du ein Detektiv?«
    Er hätte sich ihr beinahe an den Hals geschmissen.
    »Wie kommt es, daß du das nicht sofort erkannt hast?«
    »Dir fehlt die Ausstrahlung. Du siehst aus wie ein stinknormaler Bulle.«
    Die Tür ging auf. Zuerst kam ein junger Mann heraus, der überhaupt

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