Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
Kommunist, bei dem wissen wir nicht einmal, ob er überhaupt zu deren Organisation gehört. Özcan ist Führungskader für den Raum Ankara. Den haben sie ziemlich durchgeprügelt.«
»Findest du es nicht auch merkwürdig, daß sie ihn so heftig verdroschen haben? Als ob sie aller Welt zeigen wollten, daß sie ihn geschlagen haben.«
»Das geht mir auch so. Die Zeiten sind vorbei, wo wir die Bürger nach Strich und Faden verprügeln konnten. Man kann die Leute mittlerweile nicht einmal mehr zehn Tage in Polizeihaft nehmen wie früher, wo man sie zum Amtsarzt geschickt hat, wenn die Wunden verheilt waren. Dabei gibt es schon seit zwanzig Jahren Techniken, um ’ne ganze Menge Sachen anzustellen, die keinerlei Spuren hinterlassen.«
»Sag mal,« fragte Harun, »glaubst du, die wollen uns das in die Schuhe schieben?«
»Nee, das halt ich für übertrieben. Verhaftet hat ihn ja schließlich die Terrorbekämpfung.«
»Ja gut, die haben ihn verhaftet. Aber wir waren die letzten, die ihn vernommen haben. Wenn ihm jetzt was passiert, heißt es, der war zuletzt auf der Mordkommission, und dann sind wir die Gearschten. Ich schwöre, ich hab ihm kein Härchen gekrümmt. Wenn die uns jetzt vorwerfen, wir hätten den gefoltert – ich seh überhaupt nicht ein, da auszusagen. Ich raste aus und fang an rumzuschreien. Guck dir doch mal an, was die sich alles einfallen lassen, bloß um uns fertigzumachen. Jetzt aber hoch die Tassen!«
»Mach langsam. Du kriegst Paranoia, wenn du zuviel trinkst.«
»Ich will dir ma’ was sagen, Herr Vorgesetzter. Wir müssen den Fall auch mal unter dem Gesichtspunkt dieser Zeitschrift da angucken. Haben nicht Betül und Gökhan für die gleiche Zeitschrift geschrieben?«
»Sicher.«
»Wir kennen sogar die Herausgeberin. Bahar.«
Behzat Ç fühlte sich unwohl, als das Gespräch diese Wendung nahm. Doch er hörte ruhig zu.
»Wir wissen auch, daß der Rechtsanwalt Bahars Exmann ist. Okay, da schreiben so Linke, aber das ist ja nicht das Parteiorgan von dieser Organisation. Wir haben Bahar durchgecheckt. Während ihrer Zeit als Lehrerin war sie Mitglied in der Gewerkschaft. Aber alle linken Lehrer sind in der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaften, das ist ganz normal.«
»Das Thema ist erledigt«, sagte Behzat Ç. »Keine Nachforschungen mehr über Bahar, ohne mich vorher zu fragen.«
Hüseyin brachte einen Teller Joghurt mit geraspelten Gurken an den Tisch und sagte zu den beiden Polizisten, die schon seit einiger Zeit die Köpfe zusammengesteckt hatten: »Schluß jetzt. Hier wird nicht über die Arbeit gesprochen.«
Der Hilfskellner, der sich das Geld für studienvorbereitende Nachhilfekurse zusammenverdienen wollte, leerte ihren Aschenbecher aus.
»Welchen Rang hast du in der Prüfungssimulation bekommen?«, fragte ihn Harun.
»Den sechsundvierzigsten.«
»Von wievielen?«
»Zweiundfünfzig.«
»Super, du machst dich langsam.«
»Aber ich bin nicht zu Mathe gegangen. Sonst wär ich unter die ersten zehn gekommen.«
»Es ist Zeit«, sagte Bahri und griff zu seiner Saz. Er räusperte sich und stimmte das Instrument. Nach einem traurigen, alten Instrumentalstück stimmte er das wahrscheinlich unpassendste aller Volkslieder an:
»Wein doch nicht, meine schwarzgelockte Schöne.«
Behzat Ç schlug sein Rakıglas auf den Tisch und trank den Rest in einem Zug aus.
»Laß uns gehen.«
Harun öffnete die Tür. Beim Hinausgehen wandte sich Behzat Ç noch einmal um und schaute zu Bahri, der das Lied in eine höhere Stimmlage transponiert hatte. Seine Falsettstimme begleitete Behzat Ç auf die Sakarya:
»Ne de olsa kışın sonu bahardır / Bu da gelir, bu da geçer…«
»Ist doch des Winters Ende der Frühling / Auch das geht vorbei, auch das bleibt nicht ewig.«
Bahar, der Frühling, sollte also das Ende des Winters sein. Auch das ging vorbei.
Er wußte nicht, wieviel Zeit verstrichen war, aber es war jedenfalls Morgen, als er aufwachte. Gönül hatte, wie sie es immer tat, Behzat Çs frierende Füße zwischen ihre Waden genommen. Er zog seine Füße hervor, ohne sie zu wecken, ging in die Küche und trank zwei Gläser Wasser. Während er das dritte Glas füllte, klingelte das Telefon. Er schlurfte in Richtung Wohnzimmer, ging aber nicht ran. Gönül kam im Morgenmantel herein und nahm beim sechsten Klingeln ab.
»Ja bitte?« Sie reichte ihm den Hörer. »Für dich.«
Na, vermutlich wird es Harun sein. Er weiß ja, daß ich hier bin. Doch es war Eda
.
»Ich hätte Sie nicht
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