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Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Titel: Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emrah Serbes
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Rauchen aufhören. Die Luft in der Kneipe war so dick, daß die Eingangstür sich schwer öffnen ließ und nur langsam aufschwang. Mit ihr drang ein Schwall kalter Luft herein und ein kräftig gebauter Mann von der Größe eines Strommastes, der seinen Oberkörper einklappen mußte, um über die Schwelle zu kommen. Behzat Ç vernahm das typische Geräusch eines Funkgeräts und drehte sich nach dem Neuankömmling um. Es war Harun. Als er ihn sah, freute er sich, obwohl er nicht so genau wußte, warum.
    Harun setzte sich an den Tisch und seufzte. Eine Zeitlang sprachen sie nicht. Der Aushilfskellner, der bei den zentralen Aufnahmeprüfungen nicht einmal einen Platz für die popeligste Hochschule der Republik hatte ergattern können, brachte zwei neue Rakıgläser an den Tisch. Behzat Ç schob Harun eines der Gläser hin und fragte: »Alles klar?«
    »Ja, Herr Vorgesetzter. Bin nur etwas genervt.«
    »Was ist los?«
    »Mein Vater.«
    Behzat Ç spürte einen Stich in der Herzgegend und richtete sich auf.
    »Ist was passiert?«
    »Nein, es geht ihm gut. Er hat nur einen Bus aus dem Depot der Stadtwerke entwendet. Ich hab natürlich alles stehen- und liegengelassen und bin zwei Stunden lang hinter ihm her. Zu allem Überfluß ist er von der Fahrbahn abgekommen und gegen eine Leitplanke geschrammt. Was ist denn das für eine Aktion bei diesem Scheißwetter? Alter, du bist in Rente gegangen, bleib gefälligst zu Hause sitzen, lös Kreuzworträtsel oder was weiß ich, gieß deine Blumen! Das ist doch total kindisch, nochmal den Busfahrer spielen zu wollen. Unter zweitausend macht die Werkstatt da nichts.«
    »Ihm ist aber nichts passiert?«
    »Nein.«
    »Gut. Hauptsache, er ist heil davongekommen. Sachschaden läßt sich immer beheben. Auf dich, mein Wertvoller!«
    Sie stießen an. Behzat Ç dachte an die Zeit nach seiner eigenen Pensionierung und fragte sich, ob er vielleicht ebensowenig von seiner Arbeit loskommen würde.
Von wegen. Ich hab sie doch immer so gehaßt. Die Leichen ebenso wie die Lebenden
.
    »Ist das nicht seltsam, Herr Vorgesetzter?«, sagte Harun. »Als ob wir uns hier verabredet hätten.«
    »Stimmt. Du bist wohl in letzter Zeit öfters hier. Hast du noch andere Sorgen?«
    Harun verstand die Andeutung: »Nein. Das Thema hat sich für mich erledigt, weißt du doch.«
    Weiß ich, dachte Behzat Ç. Weiß ich sehr gut sogar. Laß uns mal die Flasche leermachen, dann fängst du schon früh genug an mit deinem ›Ich kann doch nichts für meine Gefühle, Herr Vorgesetzter‹, und deinem ›Ich lieb sie nun mal, es ist stärker als ich‹
. Als er Eda zum ersten Mal sah, war ihm eigentlich schon klar gewesen, daß dieser Knallfrosch sich in sie verknallen würde. Er hatte sich aber gesagt, es würde schon irgendwie gutgehen. Im Radio begann Neşet Ertaş mit einem rauhen, zerbrechlichen Kehlgesang aus den Steppen Zentralanatoliens. Es rann ihm wie heißer Teer durch die zugeschnürte Kehle, er versuchte den Brand mit Rakı unter Kontrolle zu bekommen.
Bahar… Das Thema hat sich für mich erledigt
.
    Um das Thema zu wechseln, sprang er kopfüber in die Ermittlungen. »Du hast da heute am Telefon irgendwas erzählt, was war das?«
    »Also, Herr Vorgesetzter, da war doch so’ne Adresse in Betüls Tasche.«
    »Ja.«
    »Wie in Eile auf ein Stück Papier gekritzelt, da dachten wir, die hätte sie mal eben schnell irgendwo bekommen, und erst nicht so ernstgenommen. Das Phantom ist gucken gegangen, es war eine leerstehende Wohnung in einer Seitenstraße in Ulus. Ich fand’s schon kraß, daß das ’ne leerstehende Wohnung war. Wir haben also nachgeforscht. Dann hieß es, da wär gerade jemand ausgezogen, ein Lehrer. Weiter nachgeforscht. Es war ein Geschichtslehrer namens Resul vom Tuzluçayır-Gymnasium, haben wir erfahren. Sein Spitzname ist ›der Kommunist‹. Der könnte sehr wohl in einer illegalen Organisation drinhängen, den kann man ja nicht einfach mitnehmen und hinterher wieder abgeben. Da muß man schon koordiniert vorgehen. Aber auf jeden Fall müssen wir ihn fragen, was er mit Betül zu tun hatte. Sollen wir uns den vorknöpfen?«
    Hüseyin brachte vom Holzkohlegrill Köfte und schwarzgeschmorte Paprikaschoten an den Tisch. Die Flasche hatten sie bereits zur Hälfte geleert. »Nicht so hastig«, sagte er, »der rächt sich, wenn ihr den so runterkippt. Ich bin gleich fertig in der Küche, dann komm ich zu euch.«
    Harun stemmte seine Ellenbogen auf den Tisch und fuhr sich über das Kinn, während sein

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