Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
starr mich nicht so an! Bist du notgeil geworden?«
»Wie kommst du denn darauf? Erzähl mal was von dir. Was willst du machen, wenn du die Universität abgeschlossen hast?«
»Ich werde reden. Etwas anderes kann man mit einem Abschluß in Philosophie nicht machen.«
»Was macht dein Vater?«
»Wie kommst du auf diese blödsinnigen Mittelschulfragen? Er macht irgend etwas, um unseren Lebensunterhalt zu erwirtschaften.«
»Ihr versteht euch wohl nicht so gut.«
»Nein«, brüllte Şule so wütend, daß alle zu ihrem Tisch herüberschauten. »Ich hasse meinen Vater. Und wenn man seinen Vater haßt, dann geht einem ziemlich schnell die ganze Welt an der Möse vorbei.« Sie schlug so heftig auf den Tisch, daß die Gläser klirrten.
»Etwas leiser bitte. Ist ja gut, ich hab verstanden.«
»Seit ich denken kann, überlege ich, wie ich meinen Vater am besten umbringen könnte. Das ist auch der Grund, warum ich mich mit dir angefreundet habe. Wenn ich ihn umbringe, läßt du mich laufen, nicht wahr? Du wirst mir doch diesen Gefallen tun? Wir beseitigen zusammen die Spuren.«
»Jetzt übertreib mal nicht. Ich hab dich schon verstanden.«
Die Mantı kamen. Sie machten sich mit Heißhunger über sie her. Als Behzat Ç seinen Teller leergegessen hatte, staunte er über seinen rekordverdächtigen Appetit. Er zündete sich eine 216 an und blies den Rauch zur Skyline von Ankara.
»Laß uns Wein trinken«, sagte Şule. »Weiter unten gibt es eine schöne, alte Weinstube.«
»Ein anderes Mal. Ich muß nach Hause, arbeiten.«
»Warum mußt du denn arbeiten, ich dachte, du hättest Urlaub?«
»Ich habe Zwangsurlaub bekommen. Aber für uns hört die Arbeit nie auf.«
Şule strich Behzat Ç durch das graumelierte Haar.
»Warum bist du Bulle geworden?«
Er gab keine Antwort. Es tat ihm auf eine seltsame Weise gut, wie diese Hand durch sein Haar strich, und es störte ihn, daß es ihm guttat.
»Ich hab dich was gefragt. Warum du Bulle geworden bist. Das ist immerhin eine intelligentere Frage als ›Was macht dein Vater‹. In Filmen ist es ja oft so, daß jemand, den der Held sehr liebt, ermordet wird. Deswegen wird er Detektiv, um sämtliche Mörder zu stellen. Das erfahren wir natürlich erst später in Rückblenden, damit die Figur an Tiefe gewinnt. Ist es bei dir auch so? Bist du deswegen Bulle geworden?«
»Nein, ich bin Bulle geworden, weil mir die Soldatenlaufbahn verwehrt war.«
»Was? Entweder Soldat oder Polizist? Gab es für dich gar keine andere Wahl?«
»So ist das in unserer Familie. Wir sind dazu geschaffen, die Interessen der herrschenden Klasse zu schützen.«
»Der Satz ist aber nicht von dir. Da hat gerade ein anderer aus dir gesprochen.«
»Stimmt… Das hat mal jemand zu mir gesagt. Vor langer Zeit.«
Şule zog ihre Hand zurück und lehnte sich in ihrem Stuhl nach hinten.
»Bahar?«
»Woher weißt du von ihr? Sag jetzt bitte nicht, das hättest du über Google herausgefunden.«
»Nein, das hat deine Mutter erzählt. Sie hätte dich verlassen, weil du Polizist geworden bist.«
»Verlassen würde ich nicht sagen. Es war unsere gemeinsame Entscheidung.«
»Hast du sie sehr geliebt?«
»Keine Ahnung. Ich glaube, ich weiß nicht, wie man liebt. Alle, die ich bisher geliebt habe, sind meine Feinde geworden. Laß uns aufstehen…«
24
Seit langem hatte er seinen Computer nicht mehr benutzt. Er sprach ein »Bismillah« und drückte den Startknopf. Er klickte den Explorer an und wählte sich per Modem ins Internet ein. Letztes Jahr hatte er Edas Vorschlag, ihm einen DSL-Zugang einzurichten, abgelehnt. Er gab den Namen der Organisation bei Google ein und erhielt 192.400 Ergebnisse. In der virtuellen Welt hatten sie schon die Macht übernommen. Nach den ersten fünf Seiten wurde er des Scrollens müde. »So finde ich das nie«, sagte er sich und rief Şule auf ihrem Mobiltelefon an.
»Hallo, wie geht es dir?«
Ihre Stimme klang verschlafen: »Weit unter dem Saisondurchschnitt.«
»Hab ich dich geweckt?«
»Um diese Zeit anzurufen ist fast schon kriminell.«
»Tut mir leid.«
»Wenn uns jemand zuhört, denkt er noch, wir hätten was.«
»Red nicht so’n Quatsch.«
»Gut.«
Zack. Şule hatte aufgelegt. Er rief sie erneut an.
»Entschuldige bitte. Ich suche etwas bei Google, kann es aber nicht finden.«
»Wundert mich nicht.«
»Mach dich nicht lustig über mich. Ich suche Nachrichten über einen Schußwechsel vor fünf Jahren. Ich habe den Namen der involvierten Organisation eingegeben,
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